Anmerkungen

Beim Zitieren habe ich mich an folgende Regelungen gehalten:

(...) bezeichnet von mir ausgelassene Textstellen; (..., U. A.) weist auf Zitatstellen hin, die ich zur besseren Verständlichkeit ergänzt habe.


meine Hervorh.   meine Hervorhebung

meine Übers.   meine Übersetzung

unver.   unveröffentlicht

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Die Quellenangabe, zum Beispiel (Schacht, 1971: 125), verweist auf den Autor, das Erscheinungsjahr und die entsprechende Seitenzahl. Bei Zeitungszitaten gebe ich den Autor und in Klammern den Erscheinungstag an, zum Beispiel (Spinella, 28.03.1980), bei Zeitschriftenbeiträgen die Ausgabenummer, das Jahr und die Seite, zum Beispiel Luban-Plozza (4/1980: 36).

Die im Anmerkungsteil fettgesetzten und unterstrichenen Zahlen entsprechen den Zahlen in Klammern im Textteil.

Bei den Originalwerken Fromms ist jedem Werk ein Buchstabe beigefügt, der mit jenem der Gesamtausgabe übereinstimmt (siehe Literaturverzeichnis).

Die Übersetzungen der spanischen und italienischen Texte im Anhang stammen von mir selbst; sie sind möglichst eng an die Vorlage angelehnt. Im Hauptteil der Arbeit sind persönliche Übersetzungen speziell bezeichnet; die entsprechenden Originalzitate sind im Anhang in Klammern widergegeben.

Im Haupttext sind alle fremdsprachigen Zitate von mir ins Deutsche übersetzt worden, sofern keine deutsche Übersetzung existierte oder mir die Qualität der Übersetzung ungenügend erschien. Das entsprechende Originalzitat ist im Anmerkungsteil bei der korrespondierenden Ziffer zu finden.

In den Quellen kursiv oder gesperrt Gedrucktes ist hier durch Unterstreichung widergegeben.

Fussnoten innerhalb zitierter Literatur habe ich im Sinne einer Vereinfachung weggelassen.

1 Kołakowski. 1984: 47; 2 Vgl. Funk. 1984: 82 und Ziegler, 10.05.1980; 3 Vgl. Funk, 1984: 84, Elkind. 23.03.1980, und Schultz, 1976: 100; 4 Zum Ausgangspunkt der philosophischen Anthropologie Fromms siehe Funk, 1984: 84 und Khoury, 1981: 550f.

5 Vgl. dazu Spinella, 28.03.1980, und Schultz, 1976: 37; 6 Siehe auch Luban-Plozza (4/1980) und Schultz, 20.03.1983; 7 Vgl. Elkind, 23.03.1980; 8 So wurde Erich Fromm, der bis Mitte der dreissiger Jahre ja ausschliesslich in deutscher Sprache schrieb, erst im Laufe der siebziger Jahre in der Bundesrepublik Deutschland einem breiten Publikum bekannt, nachdem der aktivistische Höhepunkt der Neuen Linken mit der Galionsfigur Marcuse längst überschritten war (siehe dazu auch Schultz, 27.03.1980). Der breite Erfolg stellte sich dann aber sehr rasch ein und hält bis heute an: "Allein im deutschen Sprachraum wurde zwischen 1978 und 1980 rund eine Million Exemplare von Erich Fromms 'Kunst des Liebens' verkauft." (Hofstätter, 07.05.1982); 9 Sykes (1962: 88) schreibt zu Recht: "As a writer Fromm is a man with a distinct gift: the gift of simplifying complex subjects so that they may be understood by considerable numbers of men. (...) There is a constant need in our society for such a gift, which can be excercised honorably. No one could fairly accuse Fromm of dishonorably exercising his gift." – Auch Schultz (20.03.1983) betont diesen Aspekt: "Hier waren Schriftsteller und Mensch ein und dieselbe Person. Der eine interpretierte den andern. Seine schriftliche Sprache war der Natur der gesprochenen ganz nah. Seine Stimme war der Leib der Sprache. Wer ihn gekannt hat, hört ihn, wenn er ihn liest. Fromm ist in einer Tradition fundamentaler Mündlichkeit, eben der jüdischen. aufgewachsen. Seine Bücher sind gewissermassen Protokolle seiner Teilnahme am Zeitgespräch der Gesellschaft. Nicht ein Werk zu hinterlassen, sondern zu wirken war seine Absicht. Deswegen sind seine sämtlichen Arbeiten unermüdliche Variationen eines Themas: voll von Repliken und Wiederholungen, von Vertiefungen und Zuspitzungen, von immer neuen Anläufen und Werbungen um Verständnis."

10 Allzu dramatisierend erscheint in diesem Zusammenhang Weber, 1984: 89; 11 Vgl. Funk, 1984: 84; 12 Funks Auffassung (1984, 87f.) , dass zwischen dem Charakter und der Philosophie eines Menschen eine klare Trennung nicht statthaft ist, teile ich. Funk ist zudem der Ansicht, dass die Abhängigkeit philosophischer Vernunft vom Charakter eines Philosophen notwendig zur Wertung jeder Charakterorientierung führt, abhängig davon, ob sie das psychische Wachstum fördert oder hemmt. 13 Vgl. Liepman, 1980, 27f. 14 Dazu ein Ausschnitt aus einem Interview mit Erich Fromm: Auf die Frage, ob jene Menschen, die wir gemeinhin als normal bezeichnen, von seinem Standpunkt aus krank seien, antwortet er: "'Oh ja. Die Normalen sind die Kränkesten. Und die Kranken sind die Gesündesten. Das klingt geistreich oder vielleicht zugespitzt. Aber es ist mir ganz ernst damit, es ist nicht bloss eine witzige Formel. Der Mensch, der krank ist, zeigt, dass bei ihm gewisse menschliche Dinge noch nicht so unterdrückt sind, dass sie nicht in Konflikt kommen können mit den Mustern der Kultur, sondern dass sie durch diese Fiktion Krankheitssymptome erzeugen. Das Symptom ist ja wie der Schmerz nur ein Anzeichen, dass etwas nicht stimmt. Glücklich der, der ein Symptom hat. Wie glücklich der, der einen Schmerz hat. Wir wissen ja: Wenn der Mensch keine Schmerzen empfände, wäre er in einer sehr gefährlichen Lage. Aber viele Menschen, das heisst: die Normalen, sind so angepasst, die haben so alles, was ihr eigen ist, verlassen, die sind so entfremdet, sind so zum Instrument, sind so roboterhaft geworden, dass sie schon gar keinen Konflikt mehr empfinden. Das heisst: ihr wirkliches Gefühl, ihre Liebe, ihr Hass, die sind schon so verdrängt oder sogar so verkümmert, dass diese Menschen das Bild einer chronischen leichten Schizophrenie liefern.'" (Fromm, in: Lämmle/Lodemann, 21.03.1980; meine Hervorh.).

15 "Als der Zweite Weltkrieg herannahte, hoffte er (S. Freud, U. A.) zuversichtlich, dass dies Hitlers Ende bedeuten werde. Am Tag des Kriegsausbruchs gab man eine Luftschutzwarnung – wie sich dann herausstellte, ein falscher Alarm –, als Freud im Garten lag; aber er bewahrte seine Ruhe. Mit beträchtlichem Interesse überwachte er die Schritte, die man zum Schutz seiner Manuskripte und Antiquitäten unternahm. Als es im Radio hiess, dies werde der letzte Krieg sein, fragte ihn Schur (sein persönlicher Arzt, U. A.) : 'Können Sie glauben, dass dies nun der letzte Krieg ist?', worauf Freud kurz erwiderte: 'Mein letzter Krieg'." (Jones, Band III, 1984: 289); 16 Vgl. Piatons Phaidon, 1974: 17; 17 So antwortete Fromm im Fernsehinterview vom 07.09.1979 (kurz vor seinem Tod) auf die Schlussfrage des Journalisten Heiner Gautschy nach seiner Zuversicht im Hinblick auf eine echte Erneuerung der menschlichen Zivilisation: "Da kann ich nur sagen: Zuversichtlich bin ich nicht. Wenn ich zu wetten hätte, dann würde ich nicht auf eine gute Chance wetten. Trotzdem bin ich nicht hoffnungslos. Ich glaube, dass schon biologisch gesehen im Menschen eine Tendenz liegt, sein Leben nicht nur als Einzelner, sondern auch als Gattung zu erhalten. Und erhalten kann man das Leben nur, wenn man es entfaltet, wenn man Interesse hat, ja ich glaube, man kann auch im weitesten Sinne sagen, wenn man die Welt liebt. An diesem Punkt kann ich die Hoffnung nicht aufgeben." (Gautschy, 1984: 320); 18 Im ersten Kapitel meiner Arbeit stützte ich mich auf die S. 327 aufgeführten Hand- und Wörterbücher der Philosophie. 19 Vgl. Klaus/Buhr, 1985: 324.

20 "Avec la reprise continue lie du problème de l' 'idéologisation', la pensée de nos jours insiste, de plus en plus, sur le concept d'Entfremdung, conçue comme processus et structure dynamigue ou processus structurant de la réalite actuelle. (...) L'explication du temps present et, bien entendu, son dépassement se définissent par rapport à cette categorie. Il ne serait peut-être pas très osé de penser à nouveau l'histoire de la philosophie contemporaine en fonction des méthodes et techniques de désaliénation qu'on propose." (Apostol, 1968: 24; meine Hervorh.); 21 Vgl. Jay, 1972: 286; 22 So schreibt Adam Schaff in einem unveröffentlichen Brief (vom 23.05.1973) an Erich Fromm: "I do not know if the news reached you concerning the enormous impact of your book 'Art of Loving' translated into Polish. In a short time there were three or four printings of it and more than 50,000 copies of it were sold during 2–3 days after the book reached the market. (...) As you remember, you were always very popular in Poland but now – and this is very significant – in the existing situation it becomes already an ideological fact. My congratulations because this proves that your intellectual effort was not in vain." – Als geradezu staatsgefährdend wurden Fromm Werke noch in den siebziger Jahren in der UdSSR eingestuft, wie bei Capello (04.04.1980) zu lesen ist: "Poco prima di morire Erich Fromm aveva appreso che in Unione Sovietica i suoi libri erano stati proibiti e la loro lettura punita con sette anni di reclusione. II 'rivoluzionario della speranza' era stato deluso." ("Kurz vor seinem Tod hatte Fromm erfahren, dass seine Bücher in der Sowjetunion verboten waren und ihre Lektüre mit sieben Jahren Haft bestraft wurde. Die 'Revolution der Hoffnung' war vereitelt worden" ; meine Übers.) 23 Interessant in diesem Zusammenhang ist die Aussage des New-Age-Vordenkers Capra (1985: 21): "Das Studium von Perioden kultureller Wandlungen in verschiedenen Gesellschaften hat gezeigt, dass ihnen auf typische Weise eine Anzahl unterschiedlicher gesellschaftlicher Hinweise vorausging, von denen viele mit den Symptomen unserer gegenwärtigen Krise identisch sind. Dazu gehören ein Gefühl der Entfremdung und das Anwachsen von Geisteskrankheiten und Gewaltverbrechen sowie das Auseinanderfallen der Gesellschaft, aber auch stärkeres Interesse für religiöse Kulte – alles Erscheinungen, die während des vergangenen Jahrzehnts auch in unserer Gesellschaft zu beobachten waren." (meine Hervorh.) Capra weist auch auf den überaus interessanten psychiatrischen Ansatz von Laing hin, der bestimmte Formen von Geisteskrankheit als Überlebensstragien im Kampf gegen entfremdende soziale Bedingungen zu verstehen versucht: "R. D. Laing hat darauf hingewiesen, dass die von einem sogenannten Schizophrenen ersonnene Strategie oft als eine angemessene Reaktion auf ernsthaften sozialen Stress verstanden werden kann, als die verzweifelten Bemühungen eines Menschen, angesichts paradoxen und widersprüchlichen Drucks seine Integrität zu bewahren. Laing weitet seine Beobachtung zu einer beredten Kritik an der Gesellschaft insgesamt aus, in der der Zustand der Entfremdung, des Schlafens, des Nicht-bei-Sinnen-Seins der Zustand des normalen Menschen ist. Solche auf 'normale' Weise entfremdete Männer und Frauen gelten, wie Laing sagt, einfach deshalb als 'gesund', weil sie mehr oder weniger wie jeder andere auch handeln, während andere Formen der Entfremdung, die von den vorherrschenden abweichen, von der 'normalen' Mehrheit als psychisch krank bezeichnet werden." (Capra, 1985: 426; meine Hervorh.); 24 Diesen Hinweis verdanke ich Adam Schaff, der an Erich Fromm mit Datum vom 10.01.1980 (unver. Korrespondenz) schreibt: "Ich weiss nicht, ob Sie wegen Ihrer Krankheit nicht gehört haben, dass der neue Papst das 3. Kapitel seiner Enzyklika Redemptor Hominis dem Problem der Entfremdung gewidmet hat, was die ganze Problematik für die christliche Welt noch interessanter macht. À propos ist es interessant, dass dieses Kapitel, ausser am Anfang, wo über Jesus Christus gesprochen wird, einen laienhaften Charakter trägt. Seine Ideen und Definitionen sind interessanterweise denjenigen, die ich in meinem Buch 'Marxismus und das menschliche Individuum' vorgebracht habe, so ähnlich, dass es fast unmöglich scheint, dass der damalige (1965) Professor an der katholischen Universität in Lublin – Karol Woytiła – der die seinerzeit heftige Diskussion in Polen verfolgen musste, diese Ideen nicht ausgenützt hätte. Jedenfalls stehen wir sicher vor einem neuen Boom des Einflusses der Entfremdungstheorie in der Welt."

25 Im Unterkapitel "Der sich entfremdende Geist. Die Bildung." 26 Zum Übergang von Hegel zu Marx siehe auch Apostol, 1968: 25; 27 Apostol (1968: 27f.) interpretiert dies so, dass die Entfremdung bei Marx nicht mehr eine absolute Invariable des menschlichen oder übermenschlichen Seins ist, sondern sich als Element der Historizität, als Moment der Praxis enthüllt; 28 Verdienstvoll weist Gregor (1962: 90) darauf hin, dass sich Marx im "Manifest der Kommunistischen Partei" über den Entfremdungsgedanken der "wahren Sozialisten" lustig machte, heisst es doch da: "Die deutschen Literaten (die 'wahren Sozialisten', U. A.) schrieben hinter die französische Kritik der Geldverhältnisse (...) 'Entäusserung des menschlichen Wesens', hinter die französische Kritik des Bourgeois-Staates schrieben sie 'Aufhebung der Herrschaft des abstrakt Allgemeinen' usw." (Marx, 1969: 52) Und: "Das Gewand, gewirkt aus spekulativem Spinnweb, überstickt mit schöngeistigen Redeblumen, durchtränkt von liebesschwülem Gemütstau, dies überschwengliche Gewand, worin die deutschen Sozialisten ihre paar knöchernen ewigen Wahrheiten einhüllten, vermehrte nur den Absatz ihrer Ware bei diesem Publikum." (ebd.: 54); 29 Siehe auch Easton, 1961: 203.

30 Apostol (1968: 26) hebt hervor, dass für die Marxisten nur die in der Praxis und durch sie erforschte Welt einen Sinn hat und als unteilbare begriffen wird. Die Welt wird als immanent, durch den Menschen geschaffen verstanden. – Zum Übergang vom Hegelschen zum Marxschen Entfremdungskonzept siehe auch Popitz, 1967, Cottier, 1969, Rolfes, 1971, und Israel, 1985; 31 Vgl. auch S. 205 – 212 dieser Arbeit; 32 So schreibt Marković: "I believe that almost all contemporary forms of alienation are rooted in the existence of social groups that have a monopoly on economic and political power. This kind of monopoly is based either on the private ownership of the means of production (in the case of capitalism) or in the privileged position in the political organization of society (as in the case of a bureaucracy), or both." (in: Landis/Tauber, 1971: 281); 33 Vgl. auch Fromm, GA IV: 88 – 109 und 136 – 147; 34 Bei Betz (1974: 3918-A) ist dieser Gedanke mit folgenden Worten zusammengefasst: "Alienation is the key polemic term in Fromm's dialectic, and it allows him to inveigh against social, economic, and political ills. At the same time by the principle of conversion he is able to plead for a sane society." (meine Hervorh.)

35 Caparrós (1975: 162) weist zu Recht auf den Umstand hin, dass sich Fromm überhaupt nicht dafür interessiert, ob Marx von Entfremdung im metaphysischen Sinn von Hegel oder im Sinne einer sozioökonomischen Ausarbeitung des Hegelschen Entfremdungskonzepts redet. Ebensowenig kümmere er sich um die genaue Beziehung zwischen den Konzepten der Entäusserung, der Entfremdung und des Fetischismus. Fromm sei es auch gleichgültig, dass Marx auf verschiedenen logischen Ebenen von Entfremdung spricht, so etwa im Zusammenhang mit der Vergegenständlichung, mit der Warenwirtschaft oder mit den Produktionsverhältnissen. – Die psychologische Interpretation des Götzendienstes im Alten Testament sei mit dem ursprünglichen theologischen Sinn unvereinbar, denn die Idolatrie des Alten Testamentes setze immer "Jahwe" voraus, schreibt Caparrós (vgl. 1975: 162f.) Wenn die "Dinge" zu Idolen würden, so deshalb, weil sie nicht mehr unter dem Primat Jahwes über die Menschen und die Dingwelt gesehen würden. 36 Vgl. Nuermberger, 1967: 136; 37 Vgl. Benavente. 1977: 100; 38 Vgl. Caparrós, 1975: 160; 39 Vgl. Banerji, 1978: 33.

40 Siehe auch Kessler, 18.10.1981; 41 Siehe dazu auch Ähren, 28.03.1980, und Ebersole, 1961: 47; Letzterer weist auch auf Fromms geistige Verwandtschaft mit Feuerbach hin. 42 Eine eindrückliche literarische Illustration dazu gibt Kopelew, 1985: 412f.; 43 Vgl. Wiegand, 1970: 265f.; 44 Zu Fromms politischer Einschätzung der Arbeiterklasse und ihrer "historischen Mission" siehe auch Wells. 1963: 131. – Natürlich zieht sich Fromm damit vehemente Kritik von Seiten der marxistischen Orthodoxie zu, etwa bei Bergner, 1968: 176f.

45 Wiegand (1970: 266) vermisst in diesem Zusammenhang die theoretische Vertiefung des Therapieansatzes; 46 Vgl. Schultz, 20.03.1983; 47 Für Ebersole (1961: 27f.) ist es gerade Fromms Darstellung der spinozistischen Philosophie, die am deutlichsten Fromms Verhaftetsein im Aufklärungsdenken des 18. Jahrhunderts belegt; 48 Wells (1963: 131f.) hebt richtig hervor, dass Fromm im völligen Unterschied zu Marx, der den Menschen im Wesentlichen als rationales Wesen betrachtet und seine psychische Gesundheit kaum thematisiert, auf dem irrationalen, zwanghaften und neurotischen (wenn nicht gar psychotischen) Charakter der unter kapitalistischen Verhältnissen lebenden Menschen besteht; 49 An anderer Stelle (1979: 29f.) beklagt Fromm das Fehlen von Visionen in der modernen Zivilisation: "Vitalität ist stets mit dem Phänomen einer Vision verbunden. Im Mittelpunkt aller grossen Kulturen stand eine bestimmte Lebensvision, ein Lebensziel, auf das alle Energien gerichtet waren. Die jüdische Vision war beispielsweise vom Begriff des Einen Gottes geprägt. Sie enthielt die Verneinung aller Götzenanbetung. Sie besagte: die Existenz eines Gottes schliesst die Existenz von Götzen aus. Götzen sind von den Menschen geschaffen, sind 'Dinge'. Die Anbetung der Dinge bedeutet die Unterwerfung des Menschen unter die Dinge, des Lebendigen unter das Tote, des Menschen unter den Besitz. Was ist nun die Vision unserer Zeit? Diese Frage führt unweigerlich zum Wesen unserer heutigen Krise. Die Antwort ist: Wir haben keine Vision und wir suchen keine; wir klammern uns lediglich weiter an jene Vision, die einmal die Triebkraft für die industrielle Entwicklung war. Doch dies ist heute keine Vision mehr. Der Traum von der Industrialisierung ist erfüllt worden, mehr als erfüllt. Wir sind alle Götzenanbeter, die an die Macht der Technik glauben. Wir unterwerfen uns dem Ziel maximaler Produktion und maximalen Profits. Für dieses Ziel beutet der Mensch nicht nur andere aus, sondern auch sich selbst. Seine Menschlichkeit wird überdeckt von seiner Rolle als Produzent und Konsument."

50 "Die Entfremdung" (GA V: 368 – 376; 51 Apostol (1968: 29) betont zu Recht, dass der Marxsche Entfremdungsbegriff sich auf eine komplexe soziale Realität bezieht und auf keinen Fall zu dem Zwecke herbeigezogen werden darf, ein Phänomen der Psychologie zu benennen, etwa das Gefühl von Einsamkeit, Fremdheit oder Machtlosigkeit, die das Individuum im Rahmen von sozialen Eingliederungen erfährt, auf die es scheinbar keinen strukturierenden oder rekonstruierenden Einfluss nach selbstgewählten Kriterien ausüben kann. 52 Siehe dazu Bareuthers orthodox-marxistischer Kritik von Fromms Marx-Verständnis (1981: 80); 53 Die Kritik der marxistischen Gegner dazu liess natürlich nicht auf sich warten, siehe etwa Bergner, 1968: 172; 54 Gegen Fromms (Andeutung der "eigentlichen Anliegen" von Marx verwahrt sich auch Bareuther (1980: 83): "Fromm verwandelt also den Marxismus in eine von vielen Erlösungstheorien und macht den Marxschen Atheismus zum rationalen Mystizismus. Er wendet sich sowohl gegen die Marx-Interpretation in der kommunistischen Weltbewegung als auch gegen die sozialdemokratischen Ideologen und verwandelt den Marxismus in eine säkularisierte Heilslehre. (...) Indem Fromm Marx in eine Reihe mit den alttestamentarischen Propheten, mit Meister Eckhart, Spinoza, den utopischen Sozialisten und Kommunisten, mit Bakunin und anderen Ideologen des Anarchismus sowie mit Freud stellt, negiert er die neue Qualität des Marxismus als einer wissenschaftlichen Weltanschauung. Sicher gibt es eine Kontinuität in der Ideengeschichte, das erlaubt aber nicht, die qualitativen Unterschiede zu verwischen: Es entstehen völlig falsche Traditionslinien." – Vgl. auch ebd.: 164.

55 Vgl. Schultz, 9/1976: 37; 56 Nach Bareuthers Meinung unterstellt Fromm dem Marxismus "(...) eine vom abstrakten Individuum getragene Zentralfrage und das gleiche Geschichtsbild, das er verwendet (Geschichte als Entwicklung der menschlichen Natur überhaupt). ohne zu beachten, dass Marx in seiner Theorie fortschreitet zur konkreten Analyse und Kritik des Kapitalismus und dabei über den Begriff der Verkehrsformen den der Produktionsverhältnisse entwickelt sowie zu einem anderen Inhalt des Entwicklungsbegriffes gelangt, erhebt Fromm die Entfremdung zur Zentralkategorie des Marxismus." (Bareuther, 1980: 79f.); 57 Vgl. Caparrós, 1975: 162, und Gregor, 1962: 90; 58 Für Dobrenkow (1977: 124f.) ist es offensichtlich auf den Einfluss des Marxismus zurückzuführen, wenn sich Fromm dem Entfremdungsbegriff zuwendet und diesen bei der Analyse verschiedener psychologischer Phänomene heuristisch einsetzt. – Zutreffend ist auch die Kritik von Kalivoda (1977: 147): "Der Begriff der menschlichen Natur im 'Kapital' knüpft direkt an den Begriff der unmittelbaren (menschlichen) Natur, an den Begriff des Menschen 'als eines unmittelbaren Naturwesens' aus den 'Manuskripten' an. Fromm, der diese unrichtige Identifizierung der beiden Kategorien zu einer der grundlegenden Komponenten seiner Studie macht, hat freilich recht darin, dass man manchmal im 'Kapital' empfindet, wie sich das 'menschliche Wesen' aus den 'Manuskripten' in die 'menschliche Natur' des 'Kapitals' drängt (...)." – In einer Fussnote spricht Caparrós (1975: 162) mit folgenden Gedanken das Entscheidende an: "Es evidente, con todo, que Fromm se identifica incomparablemente más con el Marx 'joven', más metafísico y humanista. Pero a Fromm no le interesa Marx por si mismo, ni tampoco se identifica o deja de identificarse con él por motivos estrictamente cieníficos. Fromm 'coge' literalmente, los conceptos 'humanistas' de Marx (esencia humana, alienación, etc.) y solo en la medida en que son 'humanistas', sin preocuparse en absoluto del destino que hayan podido tener en la misma obra de Marx. Esta actitud, es justo reconocerlo, le llevará a poner de relieve algunos aspectos de El capital, por ejemplo, que otros han omitido, pero Fromm no se esforzará, sin embargo, en comprenderlos y valorarlos desde Marx mismo." ("Es ist offensichtlich, dass sich Fromm unvergleichlich stärker mit dem 'jungen', stärker metaphysisch und humanistisch orientierten Marx identifiziert. Aber Fromm interessiert sich nicht für Marx an sich und er identifiziert sich mit ihm oder distanziert sich von ihm auch nicht aus streng wissenschaftlichen Motiven. Fromm 'pflückt' im buchstäblichen Sinne die 'humanistischen' Konzepte von Marx (menschlisches Wesen, Entfremdung usw.) heraus; und sie interessieren in nur insofern, als sie 'humanistisch' sind, ohne dass er sich im Geringsten um den Stellenwert bekümmert, den sie im betreffenden Werk von Marx einnehmen. Diese Einstellung – und es muss festgehalten werden – führt ihn dazu, einige Aspekte aus dem Kapital hervorzuheben, die andere übergangen haben, aber Fromm gibt sich anderseits keine Mühe, sie von Marx selbst her zu verstehen und zu bewerten."; meine Übers.) – Zur Bedeutung des Entfremdungsbegriffes bei Marx siehe auch Gregor, 1962: 89; 59 Die Wurzeln von Fromms Postulat, dass der Mensch immer Selbstzweck und nie Mittel zu andern Zweck sein soll, sieht Johach (1982: 37f.) wohl zu Recht im Kantschen Imperativ.

60 Zur Frage des politischen Subjekts einer radikalen Gesellschaftsveränderung siehe Wiegand (1970: 267); 61 Vgl. Banerji, 1978: 35; 62 Glen (1966: 140) stellt richtig fest, dass Fromm das Kernstück der Marxschen Entfremdungskonzepts aus den Frühschriften beibehält, und zitiert dabei auch Schaar (1961): "He retains Marx's four types of alienation: that of the worker from the process of his work, from the product of his work, from himself, and from his fellowmen. Along with this he retains Marx's treatment of commodity fetishism, workship of money, the impact of the market upon man, and the broad outlines of his discussion of work. But he has 'expanded the idea at its margins' in two ways: 'First he has broadened the idea to cover a greater range of phenomena. Secondly, he has given the idea more psychological depth.'" Schaar thinks that on the whole Fromm has gained more than he has lost by this expansion. This is mainly because his perspective is that of modern mass society rather than of class society and because it avoids Marx's narrow class solution. But with these qualifications, it conceives of capitalism as the principal source of alienation even in its newer form as mass society." 63 Ich stimme Glen (1966: 154f.) voll und ganz zu, wenn er zusammenfassend schreibt: "In summary it can be said that alienation derives both from society and from nature. It does not derive exclusively from an outside source identified with a particular social system, as may happen under certain historical conditions. It also derives from an inside source as the expression in human nature of an underlying contradiction in nature. This is a contradiction that is indigenous to nature because it defines the phenomenon of conflict. Authoritarianism, as the principal way in which alienation is said to derive from an outside source, is not a concept which in itself is wholly objectionable. There is reason to believe that there are good and necessary forms of it. These preserve freedom by the provision of limits that protect it from itself. There is also reason to believe that inconcistency is one of the most serious threats to freedom. With no clearly defined limits, freedom becomes an unpredictable, or lawless, freedom not different in principle from the arbitrariness of the most objectionable form of authoritarianism. Freedom is related paradoxically to necessity. Absolute freedom is just as great a source of alienation as is absolute necessity." (meine Hervorh.); 64 Prechtl (1983: 118) führt drei Grundformen existenzieller Dichotomien an: "Die existenzielle Dichotomie des Menschen konkretisiert Fromm in den drei wichtigsten existenziellen Dichotomien: Sie resultieren aus a) der Naturzugehörigkeit und dem Transzendierungszwang infolge des Vernunftgesetzes, b) dem Bewusstsein des unabwendbaren menschlichen Todes, und c) der Kürze des menschlichen Lebens, die eine volle Entfaltung aller im Menschen liegenden Möglichkeiten kaum zulässt."

65 Besonders wertvoll ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis von Kaufmann (1978: 107): "Die Entfremdung kommt bei Erich Fromm aber auch in einer positiven Sichtweise zum Ausdruck. Die existenzielle Situation des Menschen stellt für ihn auch eine Art Entfremdung dar. In diesem Verständnis bildet die Entfremdung die geschichtlich notwendige Vorstufe der neuen Harmonie des Menschen. Entfremdung gehört von daher gesehen zum Menschen, zumindest solange, bis er sie durch die optimale Entfaltung der Kräfte der Vernunft und Liebe überwunden hat. Im Verlauf der Entwicklung des Menschen wird diese Entfremdung immer geringer, sie ist aber grundsätzlich nicht aufhebbar, da sie in einer Verknüpfung mit der existenziellen Situation des Menschen steht. Das Ziel des menschlichen Reifungsprozesses besteht nun darin, die Entfremdung in ihrem negativen Sinne zu überwinden. Der Mensch, der die Entfremdung überwunden hat, ist der geistig gesunde Mensch, die Gesellschaft, die den geistig gesunden Menschen ermöglicht, ist eine gesunde Gesellschaft." 66 Mit Recht meint Glen (1966: 144f.) zur grossen Zurückhaltung Fromms gegenüber der Entfremdung des Menschen von der Natur: "But if science and technology are sources of alienation, it raises the question of the extent to which the alienation can be traced back to nature herself. Both of them have such an intimate relationship with nature that the possibility of alienation coming from them suggests it coming from her. This brings us to a second weakness in Fromm's position – his silence on nature as a possible source of alienation. It is understandable, of course, why he would want to be silent on this possibility. To acknowledge it in nature would oblige him to acknowledge it in human nature. The one would follow from the other. If he were to doubt that mother nature was pure and undefiled, he would have to doubt that her noblest child was pure and undefiled. This he seems unprepared to do." (meine Hervorh.); 67 Vgl. dazu Brumliks Standpunkt, 1980: 18f.; 68 Siehe auch Funk, 1981: 1; 69 Vgl. Caparrós, 1975: 163.

70 Für Fromm selbst ist der Gedanke des "Einen Menschen" Ausdruck persönlichster Erfahrungen: "'Es klingt pathetisch, wenn ich nun sage, dass ich mich eigentlich überall in der Welt, wo ich ein aktives Interesse am Land, am Volk nehmen kann, wenn es sich auch praktisch nicht äussert, in einer bestimmten Weise zu Hause fühle. Das hängt vielleicht auch zusammen mit meiner Gesamteinstellung, der das Nationale, die nationale Emphase, fehlt. Es ist eher eine weltbürgerlich-humanistische Einstellung." (in: Gautschy, 1984: 303f.); 71 Gerade dies werfen die orthodoxen marxistischen Kritiker Fromm vor – dass er von einer abstrakten menschlichen Natur ausgehe, ganz im Widerspruch zu Marx' Grundanliegen; zum Beispiel Bergner, 1968: 171f., 72 Siehe dazu Altrichter, 1982: 53; 73 Für Fromm ist die Entfremdung von den eigenen Kräften auch der Ursprung für die Trennung zwischen dem "Heiligen" und dem "Weltlichen (die Nähe zu Feuerbach wird hier überdeutlich): "In seinem weltlichen Tun handelt der Mensch ohne Liebe; in jenem Bezirk seines Lebens, der der Religion vorbehalten ist, fühlt er sich als Sünder (der er auch ist, denn ohne Liebe leben heisst in Sünde leben) und versucht, etwas von seiner verlorenen Menschlichkeit durch die Gottesbeziehung zurückzugewinnen. Gleichzeitig müht er sich um Vergebung, indem er seine eigene Hilflosigkeit und Unwürdigkeit bekennt. So artet sein Bestreben, Vergebung zu erwerben, gerade in jene Haltung aus, aus der die Sünde stammt. Er ist in ein schmerzliches Dilemma geraten. Je mehr er Gott preist, desto leerer wird er. Je leerer er wird, desto sündiger fühlt er sich. Und je sündiger er sich fühlt, desto mehr preist er seinen Gott – und desto weniger ist er imstande, zu sich selbst zurückzufinden." (1950a, GA VI: 256; meine Hervorh.),- 74 "Das Wesentliche am Zen ist der Gewinn von Erleuchtung (Satori). Wer dieses Erlebnis nicht gehabt hat, kann Zen niemals vollkommen verstehen. Da ich selbst Satori nicht erlebt habe, kann ich über Zen nur am Rande und nicht so darüber sprechen, wie man es eigentlich sollte – aus dem Reichtum des Erlebens heraus." (1960a, GA VI: 334).

75 Prechtl (1983: 139) fasst dies so zusammen: "Der Gegensatz von gesellschaftlichen Normen und Bedürfnissen des Menschen wandelt sich im Zuge der soziobiologischen Anthropologie Fromms zu einem Gegensatz zwischen gesellschaftlichen Normen und anthropologisch-normativen Konstanten des Menschen." 76 "Die gleiche Idee wird im Neuen Testament zum Ausdruck gebracht: 'Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt, als wäre er ein Kind, wird nicht hineinkommen' (Lk 18,17). Der Sinn ist klar: Wir müssen wieder zu Kindern werden, um die Welt unentfremdet und schöpferisch zu erfassen; aber während wir zu Kindern werden, sind wir gleichzeitig keine Kinder, sondern vollentwickelte Erwachsene. Dann haben wir wirklich das Erlebnis, das das Neue Testament folgendermassen beschreibt: 'Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich ganz erkennen, so wie ich auch ganz erkannt bin' (1 Kor 13, 12)." (1960a, GA VI: 347); 77 Zur Differenz zwischen der Freudschen und der Frommschen Anthropologie siehe auch Luban-Plozza, 18.03.1981. – Fromm betrachtet das Phänomen der "Übertragung" als das eigentliche Freudsche Gegenstück zu seinem allgemeinen Gedanken der "Entfremdung". Wie das psychologische Phämomen der Entfremdung aus orthodoxer psychoanalytischer Sicht verstanden werden kann, erläutert Banerji (1978: 40f.) sehr gut. – Bemerkenswert auch der Hinweis von Glen (1966: 147) auf die grosse Bedeutung von äusserer und innerer "Natur" auf die menschliche Entfremdungserfahrung bei Freud: "It is Freud rather than Fromm who has a deep and discerning recognition of both nature and human nature as sources of alienation. In this emphasis upon the instability of civilization, what he calls 'the external struggle between eros and the destructive or death instinct' is a recognition of the contradiction in nature which at all times threatens civilization. As he so clearly indicates, it is not here a question of an external, social source of danger, but an internal source. For in contrast to Fromm, who regards destructiveness as a socially induced reaction to frustration and uncreative living (unlived life), Freud sees destructiveness as an inherent tendency in man's nature. 'The tendency to aggression,' Freud says, 'is an innate, independent, instinctual disposition in man, and ... constitutes the most powerful obstacle to culture.'" (meine Hervorh.); 78 Nicht ganz zu Unrecht schreibt Waelder (1980: 209) : "Freud war ein viel zu skeptischer – oder sollte ich sagen: zivilisierter? – Kopf, um wirklich an eine Erlösung der Menschheit irgendwann und irgendwie zu glauben. Sein Denken gehörte zur humanistischen, aber nicht zur messianischen Strömung im europäischen Denken." 79 Der Sozialwissenschaftler, Historiker und ehemalige Universitätsprofessor an der New Yorker Columbia University veröffentlichte zwischen 1964 und 1970 eine gewaltiges, technikkritisches Panorama der menschlichen Kultur- und Zivilisationsgeschichte der Menschheit, dessen Grundtenor in folgendem Zitat zum Ausdruck kommt: "Anstatt als autonome Persönlichkeit zu handeln, wird der Mensch ein passives, zielloses, von Maschinen abhängiges Tier werden, dessen eigentliche Funktionen nach Ansicht der modernen Techniker der Maschine übertragen oder zum Nutzen entpersonalisierter, kollektiver Organisationen strikt eingeschränkt und kontrolliert sein werden." (Mumford. 1984: 13) – Mumfords Orientierung ist im Übrigen nicht marxistisch, ja geradezu antimaterialistisch.

80 Fromms generalisiernde Darstellung, die von soziologischen Klassen oder Schichtungen weitgehend absieht, weckt natürlich vor allem den Widerspruch der marxistischen Orthodoxie, etwa bei Bergner, 1968: 173; 81 Vgl. dazu Bierhoff, 1977: 36; 82 Siehe auch die Kritik von Richard Schacht (Zitate auf S. 202 meiner Arbeit); 83 "Fromm believes that alienation affects everything the individual sees and does. It is a total concept. It affects the way he loves, works, plays, and thinks. It affects his leisure time as it does his productivity. It is a deep sickness of the spirit, a conflict between the existence and essence of man, between man and nature, man and man." (Glen, 1966: 140; meine Hervorh.); 84 "Der Begriff der Entfremdung ist bei Erich Fromm eng verknüpft mit der geschichtsphilosophischen Interpretation des Menschen und seiner Natur." (Funk, 1978: 105).

85 "Fromm argues that Freudian psychology and Marxian materialism coincide in regarding consciousness not as ultimate motor of history, but as the reflection of 'other, hidden forces'." (Slater, 1977: 97); 86 Kalivoda (in Oelmüller, 1977: 140) weist darauf hin, "(...) dass die Verbindung von Freuds 'Biologismus' mit Marx' 'Historizismus', die zu Beginn der dreissiger Jahre dieses Jahrhunderts die Surrealisten und die Frankfurter Schule unternahmen, dem geläufigen und historisch fixierten marxistischen Bewusstsein als tief zweifelhaft, ja sträflich erscheinen musste. Es schien, als würden sich hier Feuer und Wasser verbinden." 87 Zum Dilemma dieses Versuchs einer therapeutisch nutzbaren Synthese von Freud und Marx siehe Reich (1932: 1); 88 Seine theoretischen Differenzen zu Fromm erläutert Reich. 1932: 43; 89 "Die Psychoanalyse wird dabei der Soziologie einige wichtige Dienste deshalb leisten können, weil der Zusammenhang und die Stabilität einer Gesellschaft durchaus nicht nur von mechanischen und rationalen Faktoren (Zwang durch Staatsgewalt, gemeinsame egoistische Interessen usw.) gebildet und garantiert wird, sondern durch eine Reihe libidinöser Beziehungen innerhalb der Gesellschaft und speziell zwischen den Angehörigen der verschiedenen Klassen." (1931b, GA 1: 34)

90 In einer Fussnote merkt Essbach-Kreuzer (1978: 180) an: "Dabei wendet er (Fromm, in 1932a, U. A.) sich vor allem gegen Wilhelm Reich, der betont, dass die Anwendung psychoanalytischer Kategorien auf gesellschaftliche Erscheinungen und Prozesse Streik, Klassenbewusstsein etc.) zu verschleiernden, unwissenschaftlichen Ergebnissen führt, da diese Erscheinungen nur mit soziologisch-ökonomischen Kategorien dialektisch erkannt werden können." (siehe Anm. 88); 91 Vgl. Wiegand (1970: 265); 92 Siehe dazu Caparrós (1975: 170); 93 Interessant auch Bareuthers (1980: 166) vehemente Kritik an Fromms Ansatz; 94 Zur Bedeutung von J. J. Bachofen für Fromm siehe auch Landis/Tauber (1971: 392f.).

95 Bareuther (1980: 7) etwa kann Fromms Ethik nicht als Alternative akzeptieren, auch wenn sie seine Einwände gegen die Metaphysik teilt. 96 Besonders aufschlussreich in diesem Zusammehang die folgende Analyse von Glen (1966: 146f.): "But there is a special aspect of this natural alienation which requires consideration. It concerns the meaning that man has to put into nature in order to feel at home in her. Since there is no meaning in nature, man's ability to put meaning into her defines an important difference between them. Although the ability is a product of his development out of nature, it is he who generates the meaning and reads it into her. The tricky word is 'emergence', or, as Fromm puts it, 'man transcending nature', which of course is a transcendance conceived within the confines of his monistic system. In this respect, man is a being beyond the natural order and alienated from it who generates meaning out of himself and puts it into this order when by definition it is not there. The process is suspiciously similar to Feuerbach's description of projection. There is alienation as prior condition. There is a projection of something out of man which is part of himself and does not correspond to anything in the outer world. Thus it would seem that if the natural order has no meaning except what man puts into it, no other conclusion can be drawn but that the whole fabric of meaning which man constructs to make himself feel at home in the world is illusory and idolatrous." (meine Hervorh.); 97 Beachtenswert der Hinweis von Landis/Tauber (1971: 408): "Perhaps the most insufficiently recognized theme in Fromm's overall writings is his biological frame of reference. This orientation is based on the recognition of the biological conditions of man as he slowly emerged from the animal kingdom. A new configuration evolved with the striking cortical development of man's brain, the diminished importance of instinctive determination in contrast to the rest of the animal kingdom, and the emergence of the unique phenomenon of seIf-awareness." 98 "Im Unterschied zu Freud sieht Fromm in der geschichtlichen und individuellen Entwicklung des Menschen einen bestimmten Sinn: die Individuation des Letzteren (vgl. auch Jung und Rank!). Darunter versteht er, in seiner Konzeption Hegel nahestehend, die zunehmende individuelle Reifung, das Zu-sich-selbei-Kommen der Persönlichkeit, die sich dazu von den atavistischen Banden reiner Naturgebundenheit lösen muss. Der Mensch der Frühzeit wie auch das Kleinkind leben, noch kaum zu Selbstbewusstsein und Vernunft erwacht, in den naturgegebenen Bedingungen vorzeitlicher Sozietäten oder in der Obhut und Geborgenheit der mütterlichen Fürsorge. Die im Laufe jahrhundertelanger Evolutionen sich ergebende Lösung des Individuums aus der mythischen Vorzeit oder jenen seelischen Verfassungen, die Lévy-Bruhl als 'participation mystique' bezeichnet, wird auch in der Gegenwart von jedem Menschen in grossen Zügen wiederholt. Lösung der alten Bindungen an den Mythos, den Clan oder die Familie bringt das Risiko der Freiheit mit sich, die Fromm als schöpferische Aufgabe, reif und selbstbewusst Ordnungen stiften zu können, sieht." (Wyss, 1972: 189); 99 Prechtl (1983: 137f.) trifft Fromms Konzept im Kern, wenn er aufzeigt, dass sich Fromm auf anthropologische Wertkategorien abstützt, die geschichtsphilosophischen Reflexionen entstammen: "Bei Marx schafft der geschichtliche Prozess der Entäusserung und Aneignung zugleich die Bedingung menschlicher Verwirklichung. Die Bewährung des Menschen als bewussten Gattungswesen liegt in der Erzeugung einer gegenständlichen Welt. (...) Diesem Grundgedanken der Marxschen Verwirklichungsphilosophie schliesst sich Fromm an und verbindet ihn mit den psychoanalytisch begründeten Entwicklungsstadien der sexuellen Reifung. Die dem Gattungsbegriff des Menschen anhaftenden Bestimmungen gehen auf in dem Begriff des genitalen Charakters. Aus der Verbindung beider geht die anthropologische Form der 'produktiven Orientierung' hervor. Fromm stünde vor dem theoretischen Zwiespalt, einerseits von der Verwirklichung des Menschen als geschichtlichem Ziel reden zu müssen – der individuelle Mensch kann diese Verwirklichung nicht innerhalb seines endlichen Lebens schaffen (...) – andererseits den genitalen Charakter als biologische Entwicklungsstufe des Menschen immer schon vorfinden, da er eben eine Stufe der biologischen Reifung des Individuums, nicht aber der geschichtsphilosophischen Reifung der Gattung darstellt. Er enthebt sich dieser Schwierigkeit, indem er das biologische Substrat der Charakterstufen Freuds abstreift – die Libidotheorie Freuds als instinktivistische Reduktion verabschiedet –, die Charakterstufen als Namen für Beziehungsformen einer interpersonalen Theorie anführt. So gelingt es ihm scheinbar, die geschichtsphilosophisch begründete anthropologische Wertkategorie in psychologische Termini und als Erlebnis- und Beziehungsstruktur des individuellen Menschen zu fassen." (meine Hervorh.).

100 Vgl. Bierhoff. 1985: 29; 101 Fromms Wertauffasungen weisen ihn als Erben der Aufklärung aus, wie auch Ebersole (1961: 27) festhält. 102 "From his earlier writings which saw man and his needs as the product of his culture almost exclusively, he came to the affirmation of the existence of a common core of human qualities which react to social conditions. For him, these qualities and basic needs are rooted in the very condition of man's existence. Finally, in his latest work. Dr. Fromm stresses the doctrine that man's essence, his nature, does not consist in a group of qualities common to all man, but rather in the very conflict which arises from the inherent contradiction of his existence and the necessity for seeking a solution." (Caligiuri, 1966: 46; meine Hervorh.); 103 Aus orthodox-marxistischer Sichtweise meint Bareuther (1980: 3): "Fromms Philosophie bringt bestimmte Lebensgefühle der Menschen zum Ausdruck: Einsamkeit, Furcht, Angst und Furcht. Furcht und Ängste werden dabei konkret zu erfassen gesucht, sie lösen sich nicht wie im klassischen Existenzialismus in unbestimmte Gefühle, 'Weltangst' auf." 104 "Im Einzelnen führt Fromm als menschliche Bedürfnisse an: das Bedürfnis nach 1) der Bezogenheit/Verbundenheit, 2) der Transzendenz oder schöpferischen Kraft, etwas zu bewirken, 3) der Verwurzelung, 4) einem Gefühl der Identität, 5) einem Rahmen der Orientierung oder Hingabe." (Prechtl, 1983: 120).

105 Siehe auch Bierhoff, 1985: 33f.; 106 Caparrós (1975: 164f.) schreibt mit Recht: "Se trata de que para Fromm el hombre llega a ser hombre productivo cuando se le permite el pleno desarrollo de su espontaneidad. Tal es la confianza de Fromm en la bondad espontánea del hombre, que la función de la sociedad no debe ser otra que guitar los obstaculos – y obstaculo es todo – gue puedan oponerse al desarrollo pleno de dicha espontaneidad. Supuesto este aspecto, que Fromm acóntua mäs al describir la alienación, la contraposición entre productividad y alienación es total y perfecta. De aquí se siguen varias cosas. En primer lugar gue la definición de alienación es 'subjetiva', sólo en aparencia. Porque una vez definida 'objetivamente', la salud mental, se presupone que el hombre se 'sentira' portador activo y productive solo si es 'objetivamente' el hombre productivo. (...) En segundo lugar se sigue la identificación de niveles psicológico. metafísico, ético, religioso, etc. – tan criticada por sus detractores – que Fromm establece y que aparece continuamente en el desarrollo de la alienación en la sociedad actual, es perfectamente explicable desde sus premisas y plenamente coherente con ellas. La razón es que cuando el hombre es considerato sub specie aeternitatis todos estos niveles son uno." (erste Hervorh. von mir). (Für Fromm wird der Mensch zum produktiven Menschen, wenn ihm die volle Entfaltung seiner Spontaneität ermöglicht wird. Sein Vertrauen in die spontane Güte des Menschen ist so gross, dass die Funktion der Gesellschaft nur darin bestehen kann, die Hindernisse – und Hindernis ist alles – zu beseitigen, die sich der vollen Entfaltung dieser Spontaneität entgegenstellen können. Vorgeblich unter diesem Aspekt betont Fromm bei der Beschreibung der Entfremdung, dass der Gegensatz zwischen Produktivität und Entfremdung vollständig und vollkommen ist. Daraus ist Verschiedenes zu folgern. Zunächst ist die Entfremdungsdefinition nur scheinbar 'subjektiv'. Denn wenn die menschliche Gesundheit erst einmal 'in objektiver Weise' definiert worden ist, wird vorausgesetzt, dass der Mensch sich nur dann als aktiver und produktiver Träger 'fühlt', wenn er auch 'objektiv' der produktive Mensch ist. (...) Zweitens folgt daraus die – von seinen Kritikern so gescholtene – Identifikation von psychologischen, metaphysischen, ethischen, religiösen usw. Momenten, die Fromm vorvornimmt und die in der gegenwärtigen Gesellschaft ständig voranzuschreiten scheint. Das ist aufgrund seiner Prämissen völlig logisch und konsequent. Denn wenn der Mensch sub specie aeternitatis betrachtet wird, sind all diese Gesichtspunkte ununterscheidbar."; meine Übers.) – Browning (1973: 131f.) hebt ebenfalls den selektiven Charakter des Frommschen Religionsverständnisses hervor. 107 "In einer nicht auf das Wahre, sondern auf die Ware ausgerichteten Gesellschaft wird die Destruktivität immer weiter zunehmen. Mit dieser Behauptung wird Fromms Sprache polemisch. Er seziert unerbittlich die Umstände, die die Destruktivität verschulden – und zugleich beschuldigen." (Schultz, 9/1976: 38); 108 "(...) it is Fromm's evolutionary thinking, not his general anthropology that leads him to the unfortunate identification of activeness with virtue." (Browning, 1973: 130); 109 "Charakter kann (...) definiert werden als die relativ gleichbleibende Form, in die menschliche Energie in Form der Assimilierung und Sozialisation kanalisiert wird." (1947a, GA II: 42).

110 "Recordemos que Reich acabó igualmente por no considerar más que dos clases de caracteres, el genital y el neurotico. También él creyó en la bondad absoluta del hombre y en la maledad absoluta de la sociedad – la diferencia con Fromm radica en que Reich colocó la bondad en la genitalidad (ni siquiera en la sexualidad) y Fromm en la 'naturaleza humana'. Desde esta perspective, no nos puede extrañar que Fromm acabe también por ver en el 'carácter' una coraza que impide la realización del hombre pleno." (Caparrós, 1975 165, Fussnote); ("Erinnern wir uns daran, dass Reich letztlich auch nur zwei Charaktergruppen berücksichtigte: die genitale und die neurotische. Auch er glaubte an die absolute Güte des Menschen und an die absolute Schlechtigkeit der Gesellschaft. Die Differenz zu Fromm wurzelt darin, dass Reich die Güte in die Genitalität legte (nicht einmal in die Sexualität) und Fromm in das 'menschliche Wesen'. Aus dieser Perspektive kann uns nicht erstaunen, dass Fromm ebenfalls dazu überging, im 'Charakter' eine Panzerung zu sehen, welche die Verwirklichung des ganzen Menschen verhindert."; meine Übers.); 111 Prechtl (1983: 136) stimme ich zu, wenn er die Ansicht vertritt: "In der Differenz der Befriedigung der existenziellen Bedürfnisse und der Befriedigungsmöglichkeiten innerhalb eines sozialen Charakters liegt bei Fromm der Schnittpunkt von Anthropologie und Sozialphilosophie. Der Funktionalitätsaspekt des sozialen Charakters ist nicht in Deckungsgleichheit zu bringen mit den anthropologischen Annahmen der produktiven Charakterorientierung, die auf die existenziellen Bedürfnisse abhebt." 112 Vgl. dazu Crass (2/1980: 32). – Skeptisch stellt sich auch Klein (1987: 179f.) zur Möglichkeit einer Systematisierung der Frommschen Bedürfnislehre: "Schon diese Übersicht zeigt, wie wenig eine Systematik der Grundbedürfnislehre wirklich gelungen ist. Eine Kritik im Einzelnen wäre müssig, Beliebigkeit ist mit im Spiel, Überschneidungen kommen vor und vieles andere mehr. Ich denke, Fromm hatte nicht ernsthaft vor, hier systematisch und stringent zu werden und beanspruchte es wahrscheinlich auch gar nicht. Dafür spricht, dass er später ohne Weiteres andere Listen von Grundbedürfnissen präsentiert (zum Biespiel 1973a). Wichtiger scheint mir festzustellen, dass Fromms Grundbedürfnislehre weder auf Psychoanalyse noch auf revidierter Psychoanalyse fusst, sondern auf existenzialistischen Schlüssen." – Aufschlussreich ist hier schliesslich auch die Einschätzung von Dvorak (1980: 46): "(...) Fromms Revision der Psychoanalyse bestand auch darin, die Existenz einer Art Wesenskern des Menschen zu behaupten, der nicht bloss aus Instinktmechanismen und Spannungsregulatoren erklärt werden kann. Fromms Revision des Marxismus besagt, dass dieser Wesenskern den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen gegenüber bis zu einem gewissen Grad resistent bleiben (in vielen Fällen freilich auch verdrängt werden und verkümmern) kann, ja sich sogar dynamisch, revolutionär, emanzipatorisch, auf ein Ziel hin zu entfalten vermag. Dieses Ziel ist (und hier kommt der frühe idealistische Karl Marx, und das heisst Feuerbach ins Spiel) 'der Mensch' selbst, nachdem er seine Projektionen zurückgenommen, sich seiner selbst bewusst, Schöpfer seiner selbst geworden ist." 113 Zu Recht meint Wyss (1972: 193): "Ist das Pseudogewissen der Abkömmling des Ödipuskomplexes, so ist das echte Gewissen weitgehend mit dem identisch, was Horney das 'Selbst' nennt. Die empirische Fundierung des echten Gewissens gelingt Fromm allerdings nicht überzeugend genau, und er muss wiederholt auf die Ethik des Idealismus zurückgreifen." 114 Auf die Parallelsetzung von Ontogenese und Phylogenese in Die Furcht vor der Freiheit (1941a) weist auch Biancoli (1983: 22) hin: "Qui egli ipotizza, accogliendo und parallelismo fra ontogensi e filogenesi, una situazione di partenza in cui l'uomo non è ancora individuo e vive indistinto in un 'originaria unità' con gli altri e la natura. Col suo primo differenziarsi, l'individuo emerge con un impulso alia libertà che lo affranca dalle trame preformate dell’istinto e con un bisogno di 'appartenenza', che sorge come riposta all' angoscia del sentirsi diverso e quindi solo. Fromm chiama 'individuazione' il processo col quale l'individuo viene via distaccandosi dai suoi legami originari." (meine Hervorh.); ("Hier stellt er – eine Parallele zwischen Ontogenese und Phylogenese postulierend – die Hypothese von einem Ausgangspunkt auf, an dem der Mensch noch kein Individuum ist und vage in einer 'ursprünglichen Einheit' mit den andern Menschen und mit der Natur lebt. Mit seiner ersten Differenzierung taucht das Individuum mit einem Freiheitsimpuls auf. der es von den vorgeformten Instinktmustern befreit und mit einem Bedürfnis nach Zugehörigkeit, die als Antwort erscheint auf die Angst, sich abgetrennt und daher allein zu fühlen. Fromm nennt den Prozess, durch den das Individuum sich von seinen ursprünglichen Bindungen loslöst, 'Individuation'." ; meine Übers.).

115 Fromm teilt allerdings nicht die Auffassung, dass die Schlange im Paradies als Symbol des Dämonischen und Teuflischen zu betrachten ist; er interpretiert sie als durchaus progressives Symbol der historischen Entwicklung: "Im Prozess der Geschichte gebiert der Mensch sich selbst. Er wird zu dem. was er potenziell ist, und erlangt das, was ihm die Schlange – das Symbol der Weisheit und Rebellion – versprochen hat und was der patriarchalische, eifersüchtige Gott Adams nicht wollte: dass der Mensch Gott selbst gleich würde." (1966a, GA VI: 157; meine Hervorh.); 116 "For Fromm, the Biblical concept of idolatry corresponds with his definition of incest. It is a cognitive and affective dependence 'on the past and a hindrance to full development.'" (Browning, 1973: 134); 117 Fromms Religionsverständnis provoziert natürlich viel Widerspruch, besonders prägnant bei Browning (1973: 133) und bei D. Schultz (1976: 56); 118 Ich stimme mit Caparrós (1975: 165) völlig überein, wenn er schreibt: "El hombre 'escatológico', es decir, el hombre que llega a su plenitud total fuera de la historia, es un hombre en cuya plenitud todos los niveles antropológicos distinguibles intrahistóricamente quedan abolidos, superados y asumidos. AI mismo tiempo, desde esa perspective de plenitud extrahistórica, cualquier tipo de alienación, psicológica, sociológica, ética, etc., queda reducida a ser simple expresión de la carencia de aquella plenitud. Por eso. Fromm puede unificar todas las alienaciones posibles en su noción de alienación, porque, en definitiva, su perspective es extrahistórica. De ahí, también, que para Fromm no haya más que dos tipos de hombres, el productivo y el alienado. ¿Es que desde la perspectiva religiosa hay más hombres que el 'salvo' y el 'pecedor'? En tercer lugar, podemos decir que Fromm, al partir de teles presupuestos, no puede contribuir en absoluto e le delimitación cientifica del concepto alienación. En un momento, en el que alienación ya comenzaba a no decir apenas nada porque se aplicaba a casi todo. Fromm, en lugar de someterla a un tratamiento preciso y determinado, le adjudica unas dimensiones en las que cabe absolutamente todo." (meine Hervorh.); ("Der 'eschatologische' Mensch, das heisst der Mensch, der seine volle Ganzheit ausserhalb der Geschichte erreicht, ist ein Mensch, in dessen Fülle alle unterscheidbaren anthropologischen Ebenen aufgehoben, überwunden und aufgelöst sind. Gleichzeitig bleibt aus dieser Perspektive von aussergeschichtlicher Ganzheit jede Entfremdungsweise, sei sie nun psychologischer, soziologischer, ethischer usw. Natur auf den einfachen Ausdruck des Mangels jener Fülle reduziert. Deshalb kann Fromm alle möglichen Formen in seinen Entfremdungsbegriff integrieren, denn seine Sichtweise ist letzten Endes aussergeschichtlich. Das hat auch zur Auswirkung, dass es für Fromm nur zwei Arten von Menschen gibt, den produktiven und den entfremdeten. Denn gibt es aus religiöser Sicht noch etwas anderes ausser dem 'Geretteten' und dem 'Sünder'? Drittens können wir sagen, dass Fromm unter diesen Voraussetzungen überhaupt keinen Beitrag zur wissenschaftlichen Abgrenzung des Entfremdungskonzeptes leisten kann, in einem Moment, da Entfremdung schon fast nichtssagend zu werden droht und auf alles anwendbar ist. Statt diesen Begriff einer genauen und abgrenzenden Behandlung zu unterziehen, weist Fromm ihm zusätzliche Bereiche zu, in denen absolut alles Platz findet."; meine Übers.); 119 Hervorragend auch die Analyse von Moreno (1981: 212f.): "Aquellos primeros escritos de Marx le revelaron, además, la version secular más actualizada que se podia pensar de un utopismo mesiánico, que no acaba de encajar en las categorias antropológicas freudianas. Marx le había proporcionado ya a Fromm la version secular del mal: la configuración del carácter por la acción de las fuerzas socioeconómicas sobre la libido. Pero, aunque en posesión de una explicación secular del mal histórico. Fromm veía que su esquema era insuficiente para dar razón de una vision mesiánico-profetica de la historia. supuesta, por otra parte, la aceptación de la critica marxiana y freudiana de la religión. ¿Donde situar la dinámica hacia la realización escatológica y plena del hombre si la sociedad pervierte y Dios no existe? No quedaba otra possibilitad que el hombre mismo. Desde el primer momento. Fromm mantiene, de acuerdo con un psicoanálysis dualista extraño a la experiencia, que el hombre histórico, el hombre que posee un 'carácter', surge de la interacción entre 'sociedad' y 'naturaleza'. Dado que la sociedad sigue siendo mala aunque se interiorice – el carácter alienado –, resta solo la 'naturaleza'. Fromm no encuentra a su disposición mäs que la naturaleza biológica de Freud con sus pulsiones libidinosas, narcisistas y destructivas. Como podrian dar asiento unas pulsiones libidinosas, narcisistas, egoistas y destructives a una dinamica que tiende a la felicitad plena del hombre, a su 'bondad'? En esta encrucijada llega la publicación de los Manuscritos económico-filosóficos de Marx. De este modo, y más en concreto, la 'naturaleza' o 'esencia' del hombre de Marx se erige en el concepto Salvador del dilema frommiano. Fromm no es un autor desagradecido y desde entonces toma conciencia plena de su deuda con Marx. Sus categorias antropológicos – ¿ i que importa si filosóficas o empiricas? – respondian perfectamente a los propósitos de Fromm." ("Diese ersten Schriften von Marx enthüllen ihm zudem die aktuellste säkulare Fassung eines messianischen Utopismus, die sich denken lässt und weöche die engen anthropologischen Kategorien Freuds sprengt. Marx hatte Fromm bereits die säkulare Version des Bösen geliefert: die Charakterbildung durch die Einwicklung der sozioökonomischen Kräfte über die Libidio. Dennoch erkannte Fromm – zwar im Besitze einer säkularen Erklärung des historisch Bösen – dass seine Vorstellung auf der Basis der Anerkennung der Marxschen und Freudschen Kritik der Religion nicht ausreichte, um die messianisch-prophetischen Vision der Geschichte zu rechtfertigen. Wo sollte er die Dynamik in Richtung auf die eschatologische und gänzliche Verwirklichung des Menschen plazieren, wenn die Gesellschaft korrumpiert und Gott nicht existiert? Es blieb keine andere Möglichkeit, als sie im Menschen selbst aufzufinden. Vom ersten Moment an vertritt Fromm die Meinung – in Übereinstimmung mit einer dualistischen, erfahrungsfremden Psychoanalyse –, dass der historische, mit einem 'Charakter' ausgestattete Mensch aus dem Wechselspiel von 'Gesellschaft' und 'Wesen' entsteht. Bei der Annahme, dass die Gesellschaft weiterhin schlecht ist, auch wenn sie den entfremdeten Charakter verinnerlicht, bleibt nur das 'menschliche Wesen' übrig. Fromm hat nur die biologische Natur von Freud mit ihren libidinösen und zerstörerischen Trieben zur Verfügung. Wie könnten einige libidinöse, narzisstische, egoistische und destruktive Triebe einer Dynamik Halt geben, die zum vollen Glück des Menschen, zu seiner 'Güte' hintendiert? An diesem Scheidepunkt erscheinen die Ökonomisch-Philosophischen Schriften von Marx. So wandelt sich konkret die 'Natur' oder das 'Wesen' des Marxschen Menschen zum rettenden Konzept des Frommschen Dilemmas um. Fromm ist kein undankbarer Autor, und er ist sich seiner Zweifel Marx gegenüber voll bewusst. Ein grosser Teil seiner Anstrengungen der nachfolgenden Jahre richtet sich daher darauf, diesem Umstand Rechnung zu tragen."; meine Übers.).

120 "In this view, man becomes the agent responsible for ushering in the messianic time. This view of the order of initiatives bringing forth the higher harmony puts Judaism into the greatest conflict with Christianity, a conflict that reveals itself throughout Fromm's writing. But his vestigial Jewishness and his psychoanalytic sensibilities (and probably in that order) render Fromm antagonistic to the idea that the messianic time (or the Kingdom of God) comes as an act of grace on the part of God. To Fromm, this would lead man back toward the inactiveness and idolatry which are at the very heart of the human tragedy." (Browning, 1973: 134; meine Hervorh.); 121 Ganz ähnlich äussert sich auch der jugoslawische Philosoph Marković (in Landis/Tauber, 1971: 282): "The existence of any such group – which usurps the position of the political and economic subjects and leaves all other individuals and groups in the position of objects to be manipulated – is the basic of all other contemporary forms of dehumanization." 122 Dies kommt auch in der folgenden Passage aus einem Fromm-Interview zum Ausdruck; auf die Frage, ob er zur kritisierten Industriegesellschaft auch die "östliche", "marxistisch" regierte Version hinzuzähle, antwortet Fromm: "Die genauso, die ist noch viel schlimmer. Denn die hat noch nicht einmal die lebendigen Elemente, die fortschrittlichen Elemente, die der Kapitalismus hat. Sondern das ist nun der Staatskapitalismus, der einem konservativen Stadium der Metternichzeit entspricht." (Fromm, in: Lämmle/Lodemann, 21.03.1980) – Den Grundkonflikt des kritischen Intellektuellen in einer ideologisch aufgeteilten Welt skizziert Bottomore (1981: 321) so: "Radical thinkers have now to criticize both capitalism and socialism as existing forms of society, and they are often tempted to direct their main criticism against industrialism itself. The idea of an alternative form of society becomes faint and shadowy, because what was once the ideal – socialism – now exists as a problematic reality. What we have to do in order to meet this situation, as some are already attempting, is to rethink socialism, both in terms of the institutions appropriate to an egalitarian society, and in terms of the social movements and political actions which are capable of bringing it about without the disfigurement which it has suffered from violence and repression." 123 Caparrós' Einwand (1975: 168) in diesem Zusammenhang ist bedenkenswert: "Pero lo que si creemos que encierra una grave incoherencia, ya no desde una perspective marxista, sino desde cualquier opción anticapitalista, es que se oculte, al menos de hecho, este nivel institucional o estructural del capitalismo. ¿Que otra cosa hace Fromm cuando a la hora de analizar la alienación capitalista y profundizar en sus causas más profundes omite cualquier referencia a las contradicciones inherentes a la forma histórica de aquelles instituciones, centrándose, por el contrario, solo en aspectos que conciernen no directamente, al capitalismo como tal sino el los procesos de industrialización, tecnificación, racionalicoción, urbanización, etc.?" ("Wenn wir der Meinung sind, dass hier eine deutliche Inkoheränz vorliegt, so nicht aus einer marxistischen Optik heraus, sondern von einem allgemein antikapitalistischen Standpunkt, de faktisch der institutionalisierte und strukturelle Aspekt des Kapitalismus verschleiert wird. Was tut Fromm anderes, wenn er – statt eine Analyse der kapitalistischen Entfremdung vorzunehmen und das Verständnis ihrer Ursachen zu vertiefen – sich jeden Hinweises auf die jenen Institutionen innewohnenden Widersprüche enthält und sich ganz im Gegenteil nur auf Aspekte konzentriert, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem Kapitalismus als solchem stehen, sondern auf der Industrialisierung, Technifizierung, Rationalisierung, Urbanisierung usw. beruhen?"; meine Übers.); 124 Prechtl (1983: 134) meint zu Recht: "Der Sozialcharekter als Ausdruck für die typische Struktur der Mitglieder einer bestimmten Gesellschaft erhält dabei Symptomcharakter für die 'Krankheit' der Gesellschaft. Fromms Vorgehensweise bleibt derart unbestimmt, dass nicht erkennbar ist, ob er von der Verbreitung psychopathologischer Symptome bei den Individuen auf den Stand der Gesellschaft schliesst oder ob er umgekehrt die Struktur der Gesellschaft untersucht und von ihr auf die Befindlichkeit ihrer Mitglieder schliesst."

125 Fromms Welterklärungsprinzip auf der Achse von Sein und Haben findet natürlich nicht ungeteilte Zustimmung: "Nekrophil oder biophil, Haben oder Sein – Dichotomien, wie mit dem Lineal gezogen, bestimmen Fromms gesamtes Werk. Niemals besteht Ungewissheit darüber, wo das Licht und wo der Schatten zu finden ist. Tertium non datur. Diesen Urteilen und Verurteilungen liegt naturgemäss eine stillschweigende oder ausgesprochene Definition zugrunde. Fromm bestimmt, was wirkliche Menschlichkeit, wahre Liebe, echtes Christentum, waches utopisches Denken, rationale Autorität ist, und prangert dann schonungslos die Diskrepanz zwischen seiner Auffassung und der beobachteten Wirklichkeit an. Er selbst scheint allerdings nie das Gefühl zu haben, etwas zu postulieren; er findet vielmehr schlicht die Wahrheit vor, die bereits da ist. 'Frei sein von Illusionen, das heisst, die Dinge so sehen, wie sie wirklich sind', das lesen wir in der einen oder anderen Form immer wieder." (Kakuska, 19.03.1980) Vgl. auch Frenze 1, 19.02.1977; 126 Vgl. Nuermberger, 1967: 133; 127 Kritisch äussert sich Spinella (28.03.1980) zu diesem Aspekt: "Quest'ultimo (il marxismo, U. A.) diviene infatti nella sua opera un 'umanesimo' al pari di tanti altri, perdendo sempre il suo carattere specifico di analisi scientifica della formazione economico-sociale capitalista, e diluendosi in una celebrazione, piú o meno nostalgico e rousseauiana, dei buoni sentimenti, e in primo luogo dell'amore'." ("Der Marxismus wird in Fromms Werk faktisch zu einem 'Humanismus' neben so vielen anderen, der zunehmend seinen spezifischen Charakter einer wissenschaftlichen Analyse der ökonomisch-sozialen kapitalistischen Formation einbüsst und sich zu einem mehr oder weniger nostalgischen und rousseauistischen Loblied auf die guten Gefühle, in erster Linie auf die Liebe, verdünnt."; meine Übers.); 128 Betz (1974: 3918-A) gelangt in seiner Arbeit zur interessanten Hypothese, dass Fromms Humanistischer Sozialismus als Versuch der Begründung einer 'säkularen Religion' zu verstehen sei: "The principal hypothesis of this study is that Fromm's ultimate purpose is to establish a secular religion through the advocacy of humanistic socialism. This revisionist Marxist theory offers salvation by a return to full human existence. Fromm's strategy is dialectical, building, as it does, on the principles of struggle and contradiction. The antithetic poles are essence (potentiality) and existence (actuality). Reconciliation is an upward spiral of transcendence through a Covenant of Hope." (meine Hervorh.) – Überzogen wirkt auf mich hingegen die Ansicht von Weiss (1970: 93): "E. Fromm, dessen gesellschaftskritische Theorien als geistige Anstösse für die Bewegung der Neuen Linken in den USA gedient haben, hat seit dem Anfang der sechziger Jahre seine Vorstellungen über eine wahre Teilhabe der Bevölkerung an der Gestaltung ihres gesellschaftlichen Lebens weiter präzisiert, dabei aber ins Humanistisch-Utopische übersteigert. Da er kein vorrangiges Gewicht mehr auf einen Sturz der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zu legen scheint, sind seine Ideen nur als ein sehr verwässertes Derivat der anarchistischen Elemente im Originalmarxismus anzusehen. Die Vorschläge, die Fromm macht, sollen Idealvorstellungen von Antibürokratismus, von Humanismus und von Spontaneität der Eliten miteinander verbinden. Sie sind getragen von der Vorstellung der Führerschaft durch geistige Eliten, sie zeigen also einen extremen Avantgardismus. Alle diese Elemente lassen sich in Ansätzen bei Marx nachweisen, bei Fromm erscheinen sie hypertrophiert." 129 "Der Mensch muss nach der Interpretation des Alten Testamentes durch Fromm völlig unabhängig werden, und das bedeutet nach Fromm, sogar von Gott unabhängig zu sein. In der negativen Theologie sowie in der Mystik findet er denselben revolutionären Geist der Freiheit, der den Gott der Revolution gegen Ägypten charakterisiert. Ja, Fromm äusserst die Vermutung, dass nach 2000 Jahren des Universalismus und Humanismus der Propheten in den Gestalten tausender jüdischer Philosophen, Sozialisten und Internationalisten, von denen viele keine persönliche Verbindung mehr mit dem Judentum hatten, seine Blüten trieb." (Greinacher, 1972: 34f.).

130 "'Worauf es Marx ankam, das war die Verwirklichung der Religiosität im realen Leben: dass die Gesellschaft so aufgebaut ist, dass die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Liebe, der Wahrheit, der menschlichen inneren Produktivität und Lebendigkeit, oder, wie ich es in einem Buch ausgedrückt habe: des Seins und nicht des Habens, dass diese Prinzipien in der Gesellschaft selbst durchgesetzt sind – im täglichen Leben! Marx kam hundert Jahre zu früh. Marx lebte in einer Zeit, von der er glaubte, das kapitalistische System sei schon am Ende. Und er irrte sich sehr: In Wirklichkeit war vor hundert Jahren das kapitalistische System noch vor seinem höchsten Aufschwung." (Fromm, in: Lämmle/Lodemann, 21.03.1980); 131 Ich stimme mit Johach (1986: 57) überein, wenn er sagt: "Man kann darüber streiten, ob das Etikett des Sozialismus bzw. Marxismus auf Fromms Sozialphilosophie, zumal in seinem letzten Lebensjahrzehnt, überhaupt zutrifft." – Essbach-Kreuzer (1978: 176) weist zu Recht auf die enge Verbindung von normativer Psychologie und gesellschaftlichen Reformvorstellungen bei Fromm hin: "Die Forderung nach einer normativen Psychologie ist gekoppelt mit Fromms gese1lschaftspolitischen Reformvorstellungen, die er hauptsächlich in neueren Arbeiten formuliert hat. Die gegenwärtige Gesellschaft – und damit meint Fromm vor allem die Vereinigten Staaten und Westeuropa – müssen so verändert werden, dass der Mensch von seiner Unproduktivität befreit wird, die sich am deutlichsten in entfremdeter Arbeit zeigt. Der Mensch muss sich zu einem produktiven Charakter entwickeln können." 132 Gelegentlich werden Fromms Theorien in geradezu diffamierender Weise dargestellt: "Innere Einkehr, Kontakt mit unbeschädigter Natur, herrschaftsfreie Kommunikation mit dem 'Du' des Mitmenschen – das waren die Seinsweisen, die Fromm feierte. Hinzu kam ein holzschnitthaft ausgekerbtes, naiv wirkendes Sozialprogramm. Allen Menschen sollte ein 'Lebens-Grundgehalt' zugeteilt werden, das sie in die Lage versetzen würde, ohne ein Muss zur Arbeit anspruchsvoll vor sich hin zu meditieren. Sie sollten in 'Lebens-Grundeinheiten' von etwa 500 Köpfen eingeteilt werden, um die Möglichkeit zur Kommunikation zu erhalten. Ein 'Kulturrat des Lebens' sollte schöne Spiele für sie ausdenken. Kein Wunder, dass ein solches Programm bei allen 'Aussteigern' Begeisterung auslöste. Ein starker Theoretiker war Erich Fromm nie, doch er verstand es stets, menschliche Sehnsüchte zum Klingen zu bringen. Mit Recht wurde er zuletzt als 'der Weise vom Lago Maggiore' bewundert." (Zehm, 19.03. 1980) – Berechtigt ist hingegen Brumliks Zweifel (123/1980) an der politischen Umsetzbarkeit der Frommschen Postulate: "Am Ende einer (...) Kulturkritik an den Industriegesellschaften erhebt er Forderungen, wie eine der Seinsmentalität entsprechende Gesellschaft – selbstverständlich gewaltfrei – gefördert werden kann. Sie lesen sich in der Tat wie ein 'grünes' Parteiprogramm: (...) Wie diese Ziele durchgesetzt werden sollen, verrät Fromm nicht – klar ist nur, dass jede Form von Gewalt als Ausdruck pathologischer Todessehnsucht hierbei zu vermeiden ist. Auf jeden Fall wird ihre Durchsetzung niemandem wehtun: 'Die neue Gesellschaft bedroht niemandes Eigentum, und was das Einkommen betrifft, so geht es ihr darum, den Lebensstandard der Armen zu heben. Die hohen Gehälter der Führungskräfte brauchten nicht gekürzt zu werden, aber falls das System funktioniert, werden sie nicht wünschen, Symbolfiguren der Vergangenheit zu sein.' (Haben oder Sein, S. 191)." 133 Bareuther (1981: 9f.) kritisiert den diesbezüglichen "individualistischen", "mystifizierenden" Ansatz Fromms: "Der Versuch, menschliche Vernunft und Autorität der Persönlichkeit wieder in ihre Rechte einsetzen zu wollen, führt Fromm zur Verabsolutierung des Individuums, zum Rückzug auf dessen Innerlichkeit. Durch Reduktion gesellschaftlicher auf biologische Gesetze, der Bedingungen der Wahl auf ihre psychische Seite, wird Freiheit in ein psychologisches Problem verwandelt. Fromm versteht Freiheit vor allem als 'Freiheit von' (das heisst von Bindungen). Dies äussert sich auch in seiner Definition der 'Freiheit zu'. Freiheit erscheint damit als Fähigkeit des Menschen, sich selbst zu bestimmen. Die aus ihren sozialen Bezügen gelöste Persönlichkeit ist nur in der Besinnung auf sich selbst, im existenzialistischen Akt der Selbstwahl bei sich, nicht entfremdet. Entscheidungsfreiheit ist Freiheit der Wahl, das heisst Wahl seiner selbst, Annahme des Guten in sich, das von der Gesellschaft unterdrückt wird." – Diese Kritik wird Fromms Intentionen keinesfalls gerecht. Eines seiner zentralen Anliegen ist ja gerade in der Begründung einer Philosophie der "Freiheit zu" zu sehen, die dazu beitragen soll, vom Menschen historisch geschaffene Abhängigkeiten zu überwinden. – Wesentlich bedenkenswerter ist Brumliks (1980: 18) Einwand: "Der abgeklärte Blick auf das Wesen des Menschen lief schon immer Gefahr, die Widrigkeiten des Alltags aus demselben zu verlieren. Fromms Programm einer bürgernahen Dezentralisierung, allgemeiner Minimal-Wohlfahrt und internationaler Solidarität lässt – von allen anderen Durchsetzungsschwierigkeiten einmal abgesehen – offen, wie es finanziert werden soll. Dies rührt in letzter Instanz daher, dass Fromm schon früher den Kapitalismus vor allem von der Perspektive des 'Marktes' und des 'Eigentums' her kritisierte und dabei systematisch übersah, dass es die Trias von Produktion, Distribution und Konsumption, kurz die Einheit von Arbeits- und Verweitungsprozess ist, die im Kapitalismus den gesellschaftlichen Zusammenhang und damit die ihm eigene Entfremdung verursacht. Nun aber verzichtet er, um die Forderung nach Gewaltfreiheit und Harmonie aufrechterhalten zu können, sogar auf eine an Markt und Einkommen orientierte letztlich sozialdemokratische Umverteilungspolitik." 134 Fromm führt dies in einem Interview (in: Lämmle/Lodemann, 21.03.1980) weiter aus: "'Ich glaube, dass heute schon sehr viele Menschen bereit sind, nach einem Weg zu suchen, der den Menschen wahrhaft befriedigt, der den Menschen respektiert. Das sind Menschen, die fühlen, dass ein Leben, wo alles dem Erfolg, dem Geld, der Konkurrenz, der Ausbeutung dient, in Wirklichkeit ein Leben ist, das die Menschen unglücklich macht. Aus diesem Grunde gibt es heute doch so viele Menschen, die auf östliche Lehren – ja, ich würde sagen: hereinfallen. Denn das ist zum grossen Teil reiner Schwindel: Es ist die Kommerzialisierung dieser religiösen Bedürfnisse. Nicht ausschliesslich! Ich bin selbst am Buddhismus und Zen-Buddhismus und am Taoismus interessiert und nicht nur interessiert. Aber was heute vor sich geht, ist ja nicht ein ernsthaftes Interesse, sondern ist: mit den Methoden der modernen Geschäftswelt, mit den Methoden der Reklame, der Publizität, den Menschen religiöse Gefühle und Sehnsüchte zu verkaufen, und es dreht sich ums Verkaufen dabei. Die Menschen sind so entfernt von echten religiösen Erfahrungen, dass sie den Schein für die Realität nehmen und hereinfallen auf Dinge, die in Wirklichkeit sie gar nicht aktivieren, sie gar nicht ändern, sondern die man dann in den bestehenden Religionen wirklich schöner und viel besser findet.'" – In dieser speziellen Hinsicht möchte ich Bareuther (1981: 6) doch Recht geben: "Welche gesellschaftlichen Kräfte die Gesellschaft revolutionieren können, wie im Schosse der alten, das heisst der kapitalistischen Gesellschaft neue Wertvorstel1lungen und Normen und ein neuer Persönlichkeitsbegriff entstehen können, ist damit nicht erklärbar. Fromm selbst löst diese Probleme illusorisch, durch das Auftreten von 'Weisen' und 'Propheten', sowie das Wirken von Psychoanalytikern, die er von der allgemeinen Entfremdung ausschliessen muss." (Bareuther, 1980: 6).

135 Nach Brackmann (1979: 375f.) basieren viele von Fromms Vorschlägen auf der Einschätzung realer gesellschaftlicher Vorgänge, wie sie die Autoren der Berichte an den Club of Rome publiziert haben: "Sie zeigen Fromms humanistische Grundhaltung. Sein Humanismus ist jedoch bürgerlicher Humanismus. Darin zeigen sich die Grenzen Fromms. Von dieser Position aus vermag er nur die kapitalistische Welt zu kritisieren, aber nicht zu verändern. Insofern ist er bürgerlicher kritischer Realist. Fromms Vorschläge zur 'Humanisierung' der Gesellschaft und des Menschen tragen einen utopisch, abstrakt-humanistischen Charakter und offenbaren die Hilflosigkeit eines bürgerlichen Humanisten, der einerseits die Gesellschaft verändern will, andererseits aber nicht die sozialen Kräfte ins Spiel bringt, die allein dazu objektiv von der Geschichte berufen sind. Seine Vorschläge, so gut sie auch gemeint sein mögen, stützen sich nicht auf die objektiven gesellschaftlichen Gesetze und Möglichkeiten und bleiben so blosse Konstruktionen von oft geradezu illusionärem Charakter. Dadurch aber tragen sie zur Irreführung der Volksmassen bei, zur Ablenkung von den tatsächlichen Aufgaben und objektiven Möglichkeiten gesellschaftlicher Veränderungen." 136 Wie sehr diese Perspektive orthodoxe Marxisten provoziert, zeigt Bergner (1968: 175): "Mit anderen Worten gesagt, glaubt E. Fromm, ähnlich den einstigen 'wahren Sozialisten', dass mit Hilfe sentimentaler Predigten von der Nächstenliebe die schärfsten Klassengegensätze überwunden werden könnten." 137 "Fromm, as prophet, is the conscience of society. He is also the nebhi, the spokesman, for the godliness of man. He traces his message through the humanistic tradition back to the Hebrew prophets." (Betz, 1974: 3918-A); 138 Bareuther (1981: 9) ist der Meinung, dass Fromms Kapitalismuskritik nicht über ein rein moralisierendes Stadium hinausgehe: "Sie kritisiert die bisherige gesellschaftliche Entwicklung vom Standpunkt eines ins Individuum verlegten abstrakten Ideals. Folge ist ein teleologisches Geschichtsbild." – Dem möchte ich widersprechen. Fromms Geschichtsphilosophie ist durchaus kein teleologisches, sondern ein entelechisches, wie ich auch im Diskussionsteil darlege. 139 "Of all the religious symbols Fromm appeals to, the one that best gives the concept of the productive character vital and symbolic expression is the Old Testament symbol of the 'messianic time.' Vital self-experience are most fully comprehended and expressed in symbolic language. This conviction leads Fromm to turn time and time again to the religions of the world, especially to Judaism, the faith in which he himself was nourished as a child. For Fromm, the Old Testament is a story of man's emergence from a primitive union with nature and man. It is a story of man's gradual evolution, through struggle, repentance, and hope, to the higher union of the messianic time." (Browning, 1973: 133) .

140 "Eine rationale, realisierbare Vision ist kein Geschenk, sondern sie muss erarbeitet werden durch eine immer klarere und kritischere Einsicht in die individuelle und gesellschaftliche Wirklichkeit des Menschen. Die Vision, die uns bestimmen soll, ist ein neuer Mensch, der frei ist in einem sinnvollen Gefüge menschlicher Realität, ein Mensch, der lieben kann, ohne sich zu unterwerfen und ohne zu beherrschen." (Fromm, 1979: 30) – Brumliks Ansicht (1980: 15) teile ich völlig, wenn er schreibt: "Obwohl Erich Fromm später unter dem Einfluss der Psychoanalyse nicht mehr der Halacha (dem jüdischen Zeremonialgesetz) folgte, bleiben für ihn Motive der jüdischen Bibel bis zuletzt prägend, und zwar insbesondere die Erzählung über den Auszug der Israeliten aus der Sklaverei des reichen Ägyptens in die Armut und Freiheit der Wüste, die auf soziale Gerechtigkeit pochende Busspredigt der Propheten sowie die messianischen Verheissungen einer befriedeten Erde." – Hervorrragend auch Prechtls Analyse (1983: 140): "Der von der Gesellschaft nicht realisierte Restbestand' des Menschseins soll über das ethische Postulat des 'normativen Humanismus' eingeholt werden. Zum Verständnis der sozialen Dynamik gehört nach Fromms Aussage auch die kritische Beurteilung der eigenen Gesellschaft vom Standpunkt 'universaler menschlicher Werte'. Damit bekommt die von ihm konstatierte Dialektik zwischen menschlichen Triebkräften und sozialökonomischen Bedingungen einen andern Stellenwert. Die Ökonomie behält einerseits den Primat und der Sozialcharakter die systemstabilisierende Eigenschaft. Die gesellschaftlichen Bedingungen müssten sich also von sich aus so entwickeln, dass auf der subjektiven Seite der menschlichen Triebkräfte Beziehungsformen entstehen, die der produktiven Orientierung in allen Bereichen entsprächen. Andererseits nimmt Fromm den menschlichen Triebkräften ihre biologische Dynamik, so dass nicht mehr einzusehen ist, was von subjektiver Seite in das genannte Wechselverhältnis einzubringen ist. Diese genannte Wechselbeziehung kann nur via ethisches Postulat eine Wende zum Positiven, zur Menschlichkeit, nehmen." 141 Zumindest bedenkenswert erscheinen mir Wiegands Überlegungen, wie sie in den folgenden Zitaten zum Ausdruck kommen: "Fromm lässt nicht erkennen, dass er einen wesentlichen oder überhaupt einen Beitrag von der Psychoanalyse oder der Tiefenpsychologie allgemein zu der von ihm geforderten kulturellen Umgestaltung erwartet. Dies müsste zumindest eine der Schlussfolgerungen sein, die aus der Erkenntnis zu ziehen ist, dass eine wirtschaftliche und politische Umgestaltung der Gesellschaft einen Umbau des vorherrschenden Sozialcharakters voraussetzt. Das inzwischen genauer erforschte Bündel von Eigenschaften und Auffassungen, die den autoritären Charakter kennzeichnen und sein Verhalten leiten, enthält ja gerade die Züge – wie gesellschaftliche Konformität, selbstvergessene Hingabe an sogenannte Führerpersönlichkeiten, Bewunderung der Starken und Verachtung der Schwachen –, die Fromm als Merkmale der Entfremdung und als Hindernis einer gesellschaftlichen Gesundung benennt. Offenbar hat er gegenüber der in der Tat erschreckenden Allgegenwart und scheinbaren Unverbesserlichkeit dieses Sozialcharakters resigniert. Er bringt selbst zum Ausdruck, dass die heutigen Industriegesellschaften als 'beinahe total' entfremdet anzusehen seien, und er kann sich eine Veränderung zum Positiven aus diesen Gesellschaften selbst heraus anscheinend nicht mehr vorstellen oder auch nur erhoffen." (1970: 268) – "Wie er in diesem Zusammenhang das 'analytische Ritual' als 'magische Geste' missbraucht sieht, die ein heimliches Ohnmächtigkeitsgefühl des Analytikers überdecken soll, so verstehen wir auch seinen Ruf nach einem neuen religiösen Lehrer der Menschheit als Ausdruck einer Resignation, eines geheimen Zweifels am eigenen 'handwerklichen' Können, die wir in persönlicher Hinsicht bedauern und respektieren und als biografische Information zur Kenntnis nehmen. – Von der Sache her müssen wir die Frommsche Argumentation jedoch zurückweisen, weil sie – um die politische Resignation zu begründen – vorschnell von der Totalität der Entfremdung in unseren Gesellschaften spricht. Die Sache, um die es geht, ist heute wie vor vierzig Jahren der Auftrag und die Verpflichtung für die Tiefenpsychologie aller Richtungen und 'Schulen', am Abbau aggressiver und antisozialer seelischer Haltungen und Verhaltensweisen mitzuwirken und zu diesem Zweck ihre Arbeitsmethoden ständig kritisch zu überprüfen und weiterzuentwickeln – anstatt auf ein Wunder zu warten." (ders., 1970: 270) – "Der schriftstellerische Erfolg Erich Fromms beruht mit grosser Wahrscheinlichkeit weniger auf den wertvollen tiefenpsychologischen Erkenntnissen, die er vor allem in den Untersuchungen über das Autoritätsverhältnis beigebracht hat, als vielmehr auf seinen religiösen Vorstellungen des Sich-Verströmens, Verehrens und Sich-Hingebens. Zusammen mit seiner Ablehnung von Macht, Profit und 'blossem' Rationalismus entsprechen diese Züge des Frommschen Werkes weitverbreiteten Stimmungen, in denen die radikale Ablehnung des Bestehenden und der Wunsch nach einem ganz Neuen, Besseren ineinanderfliessen." (ders., in: Rattner, 1979: 426; meine Hervorh.); 142 "However, in many important ways. Fromm depreciates the ontogenetic and phylogenetic early and fails to give a complete account of how man's maturity must include the early and the low." (Browning, 1973: 135; meine Hervorh.); 143 "Bei dieser erweiterten Erklärung der Entfremdung wird der Mensch in den Mittelpunkt gestellt, und es wird im weiteren Verlauf des zukünftigen menschlichen Lebens entscheidend sein, wie der Mensch seine produktiven Kräfte entfalten kann, weil nämlich die vorhandenen sozio-ökonomischen Verhältnisse dieses Vorhaben blockieren." (Neukum, 1976: 51); 144 Bareuther und Schahrzad sind meines Wissens die einzigen Autoren, die die Struktur der Hegeischen Triade in Fromms Geschichtsphilosophie durchschauen und auch explizit ansprechen: "Fromm greift hier – wie auch an anderen Stellen – auf aufklärerische Denktraditionen und die Geschichtskonzeption Hegels zurück. Hinter dem Kommen seiner 'messianischen Zeit' verbirgt sich nichts anderes als die Hegelsche Triade. Die Wiederherstellung der Einheit erfolgt über die Bewusstwerdung des Menschen, da die Entfremdung – genau wie bei Hegel – nicht in ihren ökononischen Grundlagen, als Problem von bestimmten Klassenverhältnissen, gesehen wird. Entfremdung als Bewusstseinsphänomen kann eben nur geistig aufgehoben werden. Der Sozialismus wird dadurch auch zur Idee gemacht: Die sozialistische Theorie sei 'Vision', noch keine Realität und die sozialistische Bewegung 'eine der bedeutendsten idealistischen und moralischen Bewegungen unserer Zeit', schreibt Fromm." (Bareuther, 1981: 79; meine Hervorh.) – Und: "In der Erkenntnis der Dialektik der Entfremdung nach der dialektischen Triade Hegels von These. Antithese und Synthese – Vergegenständlichung, Entfremdung und Wiedervereinigung – wird die 'totale' Entfremdung des Menschen zur Uberwindung derselben notwendig, als Zwang zu tatsächlicher Bewusstmachung und damit Wiederherstellung seelisch-geistiger Gesundheit im nicht-entfremdeten Zustand." (Schahrzad, 1983: 54f.; meine Hervorh.).

145 Auf den messianisehen Aspekt des Frommschen Werkes beziehen sich auch Khoury (1981: 550) und Chrzanowski (1977: 500). Scharhzad scheibt: "Fromms Entfremdungsbegriff steht damit auch in einem geschichtsphilosophischen Kontext, indem seine Geschichtstheorie alles Streben des Menschen sieht als sein Ziel, die neue 'Einheit' mit der Natur, seinen Mitmenschen und sich selbst auf einer höheren Bewusstseinsebene zu erreichen. Die Geschichte des Menschen begann mit dem Bruch der ursprünglichen 'Einheit' mit der Natur. Die Voraussetzung der neuen 'Einheit' aber ist die volle Entfaltung der dem Menschen innewohnenden produktiven Tätigkeit, der Vernunft und der Liebe." (1983: 58f.); 146 "Aufklärung und Radikalismus. Kritik der psychologischen Anthropologie Erich Fromms." Hier zitiert aus: A. Reif (Hg.): Materialien zu seinem Werk. pp. 162 – 213. 147 Moreno (1981: 233f.) schreibt mit Recht: "La esencia del hombre de los Manuscritos participa del caráeter lógico y estrictamente especulativo de la esencia feuerbachiana. En algo, no obstante, se diferencia el carácter abstracto de la esencia del Marx, diferencia que nota bien Fromm y que consiste fundamentalmente en que Marx refiere dicha esencia a la historia. Esta referencia del 'hombre' a la historia, creemos que es, precisamente, la que evoca esos paralelismos con la vision veterotestamentaria. La historia es, para Marx, la historia de esta esencia humana; una historia que es, en una primera etapa, historia de su alienación y que acabará por ser historia de su realización. Esto significa que, según Marx, la esencia del hombre está abocada a identificarse un día con su existencia. Este momento de la 'esperada' identificación será el momento, en que la esencia quedará desnuda y despojada de la vestimentas de la abstracción. Entonces la esencia llegará a ser realidad histórica." ("Das Wesen des Menschen in den Manuskripten nimmt Anleihe am logischen und überaus spekulativen Charakter des Feuerbachschen Konzepts. In einem Punkt jedoch unterscheidet sich der abstrakte Charakter des Wesens von jenem bei Marx, eine Differenz, die Fromm wohl vermerkt und die grundsätzlich darin zu sehen ist, dass Marx jenes Wesen auf die Geschichte bezieht. Diese Verknüpfung des Menschen mit der Geschichte ist unserer Ansicht nach genau der Punkt, an dem die Parallelen zur alttestamentarischen Vision heraufbeschworen werden. Für Marx ist die Geschichte jene des menschlichen Wesens: eine Geschichte, die in einer ersten Etappe die Geschichte seiner Entfremdung darstellt und sich als Geschichte seiner Verwirklichung vollendet. Dieses Moment der 'erhofften' Identifikation wird der Moment sein, da das Wesen der abstrakten Umhüllungen entblösst und beraubt ist Dann wird das Wesen historische Realität sein. So könnten wir sagen, dass das menschliche Wesen bei Marx gleichzeitig wirklich und geschichtlich ist und sich in dieser Hinsicht von Feuerbach unterscheidet. Aber, obschon gleichzeitig wirklich, ist es tatsächlich auch weiterhin eine einfache logische Realität." (meine Übers.); 148 Kritik in dieser Richtung äussert auch Neel (1974: 330): "FROMMS Beobachtungen sind äusserst scharfsinnig und sensibel, aber sie lassen sich wie bei einer Fallstudie über die Situation, auf die sie sich beziehen, hinaus nicht verallgemeinern. Seine Theorie hat zum Verständnis der westlichen Menschen beigetragen, doch sie bietet keine Grundlage für Voraussetzungen hinsichtlich des Verhaltens von Menschen mit einem andersartigen kulturellen Hintergrund. Obwohl FROMM der Ansicht war, dass von der Psychologie erstelltes Material über den individuellen Fall hinaus Gültigkeit besitzen sollte, hat er weniger zum Verständnis der Menschheit insgesamt beigetragen, als er vielleicht gehofft hat." 149 Wiedmann (29.03.1980) überzeichnet zweifellos Fromms Position, wenn er schreibt: "Freuds zwei Urtriebe, die auf Lustgewinn ausgehende Libido und der später entdeckte Todestrieb, verwandelt Fromm deshalb in die zwei einander unversöhnlich entgegengesetzten charakterologischen und existenziellen 'Modi' des Habens und des Seins. Sie sind nun nicht mehr nur Grundformen des Unbewussten, denen immerhin noch ein Ich und das Über-Ich der Normen und Autoritäten gegenüberliegt, sondern ihre Zweiheit durchdringt den ganzen Menschen. Es gibt nichts ausser ihnen. Die Charakterform des Habens ist das Böse und bezeugt sich in Selbst- und Besitzsucht, der Ursprung aller 'Destruktivität'. Der 'Seinsmodus' ist das Gute; es drückt sich vor allem in Hingabe, Opfer und Teilen aus. Egoismus und Altruismus, die alte und simple moralische Zweiteilung, wird hier also zu einem manichäischen Gegeneinander. Fromm hat diesen Gegensatz mit erstaunlicher Belesenheit und überragendem eklektischem Geschick nicht nur psychoanalytisch illustriert, sondern auch vielfältig ethisch ausgemalt und religionsgeschichtlich belegt. Und dabei zieht Freud dann vollends den Kürzeren gegenüber Marx. Der Habenmodus der Existenz leitet sich vom Charakter des Privateigentums ab." (meine Hervorh.) – "Haben" und "Sein" sind bei Fromm nicht "gleichberechtigte" ontologische Kategorien, sondern aus der primären Potenz zur Seinsorientierung entwickelt sich im Falle ihrer Verhinderung als sekundärer Modus die Habenorientierung.

150 Im Kapitel "6. Erich Fromm", pp. 413 – 421; 151 In diesem Zusammenhang ist auch Brumliks Kritik (1980: 19) erwähnenswert, die meiner Meinung nach jedoch weit über das Ziel hinausschiesst: "Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es sich um Religion handelt, das heisst eine unwissenschaftliche, auf Gesamtdeutungen beruhende Anschauung, die, wenn sie sich nicht auf das Begreifen, Verstehen und Erklären des gesellschaftlichen Ganzen einlässt, nur noch erbaulich und damit ideologisch wird. Für Marx war der radikale Humanismus ein Schlüssel, den Gesetzmässigkeiten der kapitalistischen Gesellschaftsformation nachzuforschen und dadurch in der Tat, ohne seine ursprünglichen Motive aufgeben zu müssen, eine erhebliche Aufklärung über die Ursachen von Leid und Not im Zeitalter der Industrialisierung zu leisten. Sich heute auf den jungen Marx zu beziehen, ihn bewusst und absichtlich zum Bestandteil einer neuen Sozialreligiosität zu machen, fällt nicht nur hinter dessen eigene Intentionen zurück (was nicht weiter schlimm wäre, da man natürlich einen Autor besser verstehen kann, als er sich selbst verstanden hat), sondern hat zudem die offensichtliche Funktion, welche Religion nur zu oft wahrzunehmen hatte: nämlich bestehende Besitz- und Herrschaftsverhältnisse so zu deuten, dass ihre schlimmsten Auswüchse aus der Wahrnehmung verschwinden und ansonsten alles so bleibt, wie es ist. In diesem Sinne waren die Propheten jedenfalls nie religiös. Sie wollten weder die Welt, noch das Wesen des Menschen, noch gar Gott deuten, sondern lediglich Gottes Gesetz unter den Menschen Geltung verschaffen. Nichts weiter." (meine Hervorh.); 152 "Los ojos humanistas y utópicos de Fromm no han podido ver en Marx más que a un filósofo hondamente enraizado en la tradición humanista occidental. Igual que esta. Marx habría profesado una fe inequebrantable en el hombre, en su capacidad para liberarse de las ilusiones que le encadenan y para realizar sus potencialidades, con otra expresión de Fromm, Marx nos ha ofrecido la 'expresión más actualizada' de este humanismo en sus Manuscritos económico-filosóficos. según Fromm, 'una de las principales obras de la filosofia posthegeliana'. Aunque nos parezca que Fromm está en lo cierto al afirmar que los Manuscritos son la expresión más articulada del humanismo marxista, lo que ya no nos parece tan claro es que dicha obra sea el escrito definitivo de Marx, aquel desde el cual se haya de interpreter el resto de sus obras. En una palabra, su obra de madurez. Y decimos este porque éste es el criterio, según el cual se comporta Fromm. En este punto la valoración frommiana de Marx no se distingue de la del resto de sus 'fuentes'. La verdad inmanente de estas depende del mismo criterio por el cual pueden llegar a ser fuentes frommianas: el humanismo. Si Marx se distingue de las restantes en algo, es porque en sus escritos se encuentra una obra que es, precisamente, la version más actual del humanismo." (Moreno, 1981: 213f.) ("Der humanistische Blick Fromms hat in Marx nicht mehr erkennen können als einen Philosophen, der tief in der abendländischen Tradition des Humanismus verwurzelt ist. Genau wie diese habe Marx einen unerschütterlichen Glauben in den Menschen und in seine Fähigkeit bekannt, sich von den ihn fesselnden Ilussionen zu befreien und seine Möglichkeiten zu verwirklichen. Oder, um eine andere Ausdrucksweise Fromms zu nehmen, Marx habe uns 'die aktuellste Form dieses Humanismus in seinen 'Ökonomisch-Philosophischen Manuskripten,' einem der Hauptwerke der nachhegelianischen Philosophie', geliefert. Auch wenn es uns scheint, dass Fromm Recht habe mit seiner Behauptung, dass die Manuskripte der deutlichste Ausdruck des marxistischen Humanismus ist, so erscheint es uns nicht so klar, dass besagtes Werk die abschliessende Schrift von Marx ist, jene, von der aus seine übrigen Werke zu interpretieren wären – mit einem Wort: sein Reifewerk. Und wir sagen dies, weil dies das Kriterium ist, nach dem Fromm vorgeht. In diesem Punkt unterscheidet sich die Frommsche Bewertung nicht vom Rest seiner 'Quellen'. Der ihnen innewohnende Wert hängt ab vom gleichen Kriterium, durch das sie zu Frommsche Quellen aufrücken können: vom Humanismus. Wenn Marx sich von den übrigen in irgendeiner Weise unterscheidet, so ist es deshalb, weil sich unter seinen Schriften eines befindet, das gerade die aktuellste Version des Humanismus darstellt."); 153 Ich stimme Marković' (in Landis/ Tauber, 1971: 279f.) zu, wenn er sagt: "Taking into account the great humanist tradition during the last twenty-five centuries as well as the actual contemporary preferences that underlie all moral judgement, there can be little doubt that, other conditions being equal, and with all necessary qualifications and options, there is a strong tendency to prefer: freedom to slavery, creative action to destruction and passivity, consideration for general social needs to egotism, rationality to any behaviour governed by blind emotional forces, peacefulness to belligerency. It would be dogmatic and incorrect to say that only these desirable qualities constitute human nature and human essence or human being, as against another ontological level of human appearance to which all evil in man would be relegated. In order to establish a sense of direction and a general criterion of evaluation in a humanist philosophy and practice, it is sufficient to claim that these qualities constitute what is most valuable in man and what can be considered the optimal real potentiality of human being. To fulfill these potentialities is to live a 'true,' 'genuine,' 'authentic' human life. Failure to fulfill them leads to what is often called alienation." 154 So weit wie Flückiger (in: Haaker/Sos: 1985: 219) würde ich allerdings nicht gehen: "Die Geschichte vom Sündenfall ist für Fromm – so allerdings, wie er sie interpretiert – eine Schlüsselstelle seiner Philosophie, auf jeden Fall seiner Religionsphilosophie bzw. seiner 'Theologie'. Es ist kaum zu übersehen, dass hinter seiner Interpretation dieser Geschichte seine eigene Lebensgeschichte steht: sein Bruch mit der orthodox-jüdischen Kindheit und Herkunft, dann aber auch der Bruch mit seiner deutschen Vergangenheit. Adams Ungehorsam und Vertreibung aus dem Paradies wird ihm zum Symbol und zur Rechtfertigung seines eigenen Weges, und in der messianischen Hoffnung der 'gefallenen' Menschheit sieht er dessen eigentliche Sinngebung. Indem er seine eigene Geschichte in der Interpretation von Adams Ungehorsam und Vertreibung symbolisiert oder gar mythologisiert, wird sie beispielhaft, dem modernen Menschen aufweisbar als Ausweg aus seiner geistigen, politischen und ökonomischen Ausweglosigkeit."

155 Im Kapitel "Erich Fromms Aufstand gegen das Haben", pp. 570 – 602; 156 "Eben dies ist mit Sicherheit das Elend von Fromms Spätwerk, wie es sich in seiner Summa, dem Buch 'Haben oder Sein', am deutlichsten zeigt. Auf vielen Seiten wird unter Hinzuziehung immensen kultur- und religionsgeschichtlichen Materials eine These entwickelt, in der zwei grundverschiedenen menschliche Existenzweisen und Bedingtheiten aufgewiesen werden sollen: Haben und Sein!" (Brumlik, 1980: 18); 157 Johachs Bedenken (1986: 56) teile ich: "Schwerer wiegt dagegen der Einwand, dass Fromms Kritik an den Entfremdungserscheinungen im Kapitalismus des Westens und im bürokratischen Sozialismus des Ostens einer heute zwar weitverbreiteten, im Kern jedoch illusionären Sehnsucht nach einfachen, überschaubaren Verhältnissen das Wort rede. Seine Vorstellung von der Wiederherstellung der Harmonie zwischen Mensch und Mensch und zwischen Mensch und Natur, die der Vision einer nicht-entfremdeten Zukunftsgesellschaft zu Grunde liegt, enthält zweifellos einen gehörigen Schuss Rousseauismus, auch wenn ROUSSEAU in Fromms philosophischem Ahnenkalender neben SPINOZA, MARX und Meister ECKHART nicht explizit angeführt wird." 158 Vgl. Anm. 149; 159 Vgl. Görlich et al.. 1980: 8f.

160 Marcuse fährt dann fort: "Und diese neue Definition muss ihrerseits eine Schwächung der explosiven Inhalte der psychoanalytischen Theorie wie ihrer explosiven sozialkritischen Haltung nach sich ziehen. Ist dies nun tatsächlich der Weg, den der Revisionismus eingeschlagen hat (und ich glaube es) , so liegt das an der objektiven sozialen Dynamik unserer Zeit: in einer repressiven Gesellschaft steht das Glück und die produktive Entwicklung des Einzelnen im Widerspruch zur Gesellschaft: Werden sie als Werte definiert, die innerhalb dieser Gesellschaft zu verwirklichen sind, dann werden sie selbst repressiv." 161 Mit Recht schreibt Widmer (29.03.1980): "Derrière ces diatribes entre anciens membres de l'Êcole de Francfort, il est aisé de voir la mise en scène du vieil antagonisme entre une éthique manichéenne, affirmant l'existence d'un principe du bien et d'un principe du mal et une éthique moniste, affirmant la tendance profonde de l'homme vers la plénitude. C'est sans doute cet aspect éthique qui permet le mieux de rendre compte de l'image que cet homme laissera derrière lui." (meine Hervorh.); 162 Die pessimistische Seite der Frommschen Weltanschauung unterstreicht Wells (1963: 133): "Since Fromm's diagnosis is universal pathology, he can only pin hope on individual cure of insanity, and since there are not sufficient psychoanalysts and certainly not enough reformed humanistic analysts to accomplish the task he is bound to end in a note of utter helplessness. War and self-destruction are all but inevitable, and thus Freud's death drive is reinstated supreme. The Freudian conclusions cannot be circumvented when the Freudian premises are maintained in whatever revised or reformed version. If neurotic compulsive strivings are held to be the determing feature in man's mental life, the conclusions must necessarily be one of darkness and despair. Gone therewith is all possibility of successful resistance to war and of effective social revolution. Thus in spite of Fromm's personal feelings and even actions on the side of peace and banning the bomb and some form of socialism, his theory, his theoretical reformation of psychoanalysis makes these things abstractly impossible. By employing the essential psychoanalytic framework he succeeds ultimatley in formulation just one more psychoanalytic rationale for the existent order – and this in spite of his bruising indictment of capitalism and more especially of its monopoly stage." (meine Hervorh. – Zur wechselseitigen Revision – Freud durch Marxsche Erkenntnisse und Marx durch Freudsche – siehe Wells, 1963: 134; 163 Prechtl (1983: 134) erfasst die Problematik des Begriffs der "geistigen Gesundheit" hervorragend, wenn er zusammenfassend schreibt: "Die Gesundheit der Individuen wird von der Gesellschaft, in der sie leben, bestimmt: eine Gesellschaft mit überwiegend 'gesunden' Menschen als Mitglieder ist als 'gesund' anzusehen, während eine 'kranke' Gesellschaft überwiegend 'kranke' Menschen hervorbringt. Der zirkulären Argumentation enthebt sich Fromm schliesslich mittels einer normativen Anthropologie, die sich in den Begriffen 'geistig-seelische Gesundheit', 'volle Reife', 'Gesetze der menschlichen Natur' artikuliert. 'Krankheit' dürfte demgemäss nicht mehr im individuellen Leidensdruck festzumachen sein, sondern wäre als defizienter Zustand gemessen an der ahistorischen Norm der 'vollen Reife' zu charakterisieren. Die historisch-gesellschaftlich bedingten individuellen Leidenszustände wären immer in diese Richtung zu interpretieren, wären historisch variable Formen ein und desselben anthropologischen Problems." (meine Hervorh.) 164 Schirnding (19.3.1980) schreibt sehr treffend: "Der Streit um Freud ist der Streit zweier Therapeuten, die am Krankenbett desselben Patienten Ausmass und Tiefe seines Leidens verschieden beurteilen und deshalb über die Chancen seiner Rettung und die dabei einzuschlagende Methode konträrer Meinung sind. Der Patient ist der Mensch in seiner konkreten Gestalt von hier und heute: gefesselt und verstümmelt, seiner Fantasie beraubt, sich selbst entfremdet bis ins falsche Glücksbewusstsein hinein. Wenn Erich Fromm im Gegensatz zu Marcuse an Möglichkeiten des unmittellbaren Eingreifens glaubt, sollte man doch die Radikalität seiner Kritik nicht unterschätzen. Nur ein totaler Umbau unserer äusseren und inneren Verhältnisse, eine 'Wandlung in allen menschlichen Beziehungen, einschliesslich der Struktur von Familie. Erziehung und Religion', können die todgeweihte Welt noch retten. Was Erich Fromms Kritik so viel fruchtbarer macht als das Pathos der totalen Verneinung, ist ihre Verknüpfung mit seinem Gedanken des Sozialcharakters: Zeit- und Kulturkritik gewinnen als Charakterkritik Bestimmtheit und Schärfe." (meine Hervorh.);

165 Brumlik (1980:17) fragt sich denn auch mit Recht nach dem wirklichen Stellenwert der Kontroverse zwischen Marcuse und Fromm: "Sind Herbert Marcuse, der Prophet der grossen Verweigerung, des Jugend- und Studentenprotests, und Erich Fromm, der Prophet einer neuen, humanistischen Religiosität, der Pazifisten, Sinnsucher und Konsumkritiker zwei feindliche Brüder – am Ende nur deshalb so auf Abgrenzung bedacht, weil im Grunde einander so ähnlich? (...) Ich vermute ihre Gemeinsamkeit und damit auch die Probleme beider Ansätze in ihrem Humanismus, das heisst ihrem positiven Menschenbild, das sie in Missachtung des alttestamentarischen Bilderverbots den Schriften des jungen Marx entlehnen. In den späten zwanziger Jahren und frühen dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts nimmt Marcuse auf den jungen Marx Bezug, um die von Heidegger überkommene Existentialontologie zu einer wirklich konkreten Philosophie des Menschen und der Geschichte weiterzutreiben, wendet sich Fromm der Psychoanalyse zu, um den evolutionistisch und mechanistisch verkommenen Marxismus der zweiten und dritten Internationale zu korrigieren und in seinen ursprünglichen Intentionen – einer Kritik der Entfremdung – wiederherzustellen. (...) In beiden Fällen wird auf der Basis der Pariser Manuskripte eine entfremdete von einer unentfremdeten Existenzweise des Menschen unterschieden, bei Fromm ist es die Bannung an Privateigentum und Besitz, bei Marcuse die Unterwerfung unter das Leistungsprinzip, die den Menschen seiner eigentlichen Möglichkeiten beraubt. Aber indem Fromm von der eher positiven Anthropologie des jungen Marx, Marcuse aber von der pessimistischen des späteren Freud ausgeht, gelangt er zu eindeutigeren Aussagen als Marcuse, ohne indessen weniger als Marcuse einem positiven Menschenbild verpflichtet zu sein. (...) In einer gegenläufigen Bewegung endet Fromm dort, wo Marcuse angefangen, und Marcuse da, wo Fromm begonnen hatte: einer Verbindung von Marxismus und Psychoanalyse hier, einer humanistischen Kritik der Entfremdung dort." 166 Im Kapitel "4. Entfremdung durch Arbeitsteilung bei Erich Fromm", pp. 139-176; 167 Im Kapitel "Erich Fromm", pp. 124 – 148; 168 "Sometimes it is 'modern man' who is alienated.' On other occasions, particularly when Fromm is speaking of the 'split' between man and nature and others, he seems to imply that 'man' as such is 'alienated'. In passages of the former type (by far the most common). it is by no means clear about whom Fromm is talking. Sometimes he takes the extreme position that all people today are 'alienated': 'Not the working class alone is alienated ... but everybody is (...). At other times he suggests that his assertions are to be taken as applying to the typical person today; thus he says that he is concerned with 'the character structure of the average individual.' (...) But this notion too is very nebulous – all the more so because Fromm relies largely on his general impressions in deciding what is average or typical and what is not. Consequently characterized by an indeterminateness as to who is being termed 'alienated' and what he is 'alienated' from." (Schacht, 1971: 125); 169 "Conceiving his task to be that of working out and elaborationg upon Marx's insights into the alienation of modern man, Fromm proceeds to apply the term in connection with virtually every sphere of contemporary life." (ebd.: 126);

170 "Sometimes it would appear to refer to life on a purely physical plane; here one is 'at one' with it when one is completely absorbed in it. At other times it seems to mean something like man's natural environment; here one would be said to exist in unity with it when one is an integral functioning part within it. And at still other times, it would seem to refer to the world of physical objects, unity with which presumably would habe something to do with a lack of the distinction of oneself from these objects. Fromm fails to note these differennces, speaking simply of 'nature' in each case." (ebd.). 171 "At other times Fromm locates its origin in a very different quarter: '(Man) invents tools and, while this mastering nature, he separates himself from it more and more. (...) Here the separation of man from nature is suggested to be a concomitant of man's achievement of mastery over it – something quite different from the attainment of seIf-awareness. And when Fromm speaks of 'the unalienated man ... who does not 'dominate' nature, but who becomes one with it' (...), he implies that the alienation of man from nature is not inescapable. Indeed, he even tells us how it is to be overcome." (ebd.: 127); 172 "First: in one view of its origin, this alienation occurs precisely because man uses his reason to apprehend nature as 'an object' distinct from him. Thus the problem, according to Fromm, is 'to overcome this split in the activity of his reason.' (...) But he also asserts that a distinguishing feature of the unalienated person is that he 'uses his reason to grasp reality objectively.' (...) In other words. Fromm suggests that the split between man and nature may be overcome by the same employment of reason which he contends produces the split in the first place. Secondly: in Fromm's other view of the origin of man's alienation from nature, it results from man's achievement and exercise of 'mastery' over nature. As has been seen, however, he suggests that a new unity with nature may be achieved through 'productive work.' (...) Yet what is 'productive work’, involving its subjugation and mastery? Here again, the form of activity which is supposed to enable man to overcome his alienation from nature is the very one which is elsewhere said to give rise to it." (ebd.: 127f.); 173 "In short, we are dealing here with three distinct kinds of separation from nature; and because Fromm employs the term 'alienation' in connection with all three, it is necessary to distinguish three kinds of alienation from nature in his writings." (ebd.: 128f.); 174 "And he employs the term 'alienattion' in connection with all of the major types of relation to others of which he disapproves: lack of all relatedness, egotistical manipulation, and conformity. Moreover, because he thinks of each as an instance of alienation, he is led to believe that they constitute aspects of a single phenomenon – 'the alienated social character of our time' – to which he is thus compelled to attribute a highly improbable collection of qualities – 'adjustment, co-operativeness, aggressiveness, tolerance, ambition, etc.'" (ebd.: 134f.)

175 "The term 'alienation' conceivably could function usefully in this general context, but only if its employment served to reinforce these distinctions, or at least did not have the effect of obscuring them. (The same considerations obviously apply to his use of the term in discussing man's relation to nature.)" (ebd.: 135); 176 "In short, a person may be alienated from himself according to Fromm, and yet not fail to 'experience himself in the ways Fromm considers desirable. The real problem in such a case is that his experience of himself is not grounded in reality; it is an 'illusion.' Fromm often speaks as though his concept of alienation from oneself can be understood simply in terms of the absence of the requisite ways of experiencing oneself. The discrimination he desires to make, however, requires that the emphasis be shifted to the issue of the veracity of these experiences. His own development of the concept requires him to hold that one is not alienated from himself only if one not only has a 'sense of self', but also is a genuine 'self' – i.e., satisfies certain objective conditions of selfhood." (ebd.: 141); 177 "Thus he characterizes his position as a 'normative humanism' (...) Because he does not suggest such selfhood to be required by man's essential nature, he lacks Hegel's and Marx's ready explanation of why men should be as he contends they should be. But for him, as for them, alienation from oneself may be construed in terms of a disparity between the way one is and the way one should be. This is the sense of the expression implicit in his employment of it. To be alienated from oneself for Fromm is to fail to be the kind of ‘self one should be." (ebd.: 142); 178 "He disapproves of a great deal; so it is not surprising that he finds alienation to be 'all-pervasive'. He uses the terra above all to characterize various sorts of disunities or separations. It is not simply synonymous with 'separation,' however, because separations of which he does not disapprove – such as nonconformity to social or cultural patterns – are not termed instances or forms of alienation." (ebd.: 147); 179 "By being used in so many different contexts, the term loses all specific conceptual content, and serves merely to suggest dissatisfaction. Under these circumstances it is meaningless to speak of 'the phenomenon of alienation' and 'the concept of alienation,' as Fromm does." (ebd.: 147f.);

180 "Working now on a book on alienation, I went through all your works I knew already, as well as the new one on 'The Anatomy of Human Destructiveness'. You will find the traces of your thoughts in it, when the book will be published. This will take some time however, not only because I am consciously holding back the moment of its publication, knowing that this will mean big troubles for me." (Adam Schaff, in einem unver. Brief an Erich Fromm vom 23.07.1974) – "The book is now finished and you are in it in a full measure. I think of publishing it in 1977 and you will get it immediately. In this case I will be extremely interested that you read it and write me openly about your impressions." (Adam Schaff, in einem unver. Brief an Erich Fromm vom 16.01.1976); 181 Eine hervorragende Illustration dieses Gedankens liefert Goethes Gedicht vom Zauberlehrling, das so endet: "Herr und Meister! hör mich rufen – / Ach da kommt der Meister / Herr, die Not ist gross! / Die ich rief, die Geister, / Werd ich nun nicht los." (1980: 123). 182 Ähnlich äussert sich auch Markovic (in: Landis/Tauber, 1971: 283): "Therefore, to humanize radically the contemporary world means to create conditions in which each individual could be a historical subject, able to participate in the control of the enormous social and natural forces that have so far been produced. An essential condition of such fundamental liberation is the abolition of any concentration of political and economic power in the hands of any particular social group. The supersession (Aufhebung) of private ownership of the means of production and the abolition of capitalists as a class is the decisive first step in this direction. The supersession of politics as a profession which enables a social group permanently to monopolize all accumulated work, and the abolition of bureaucracy as a privileged elite – is the second decisive step. Each is a necessary condition of a radical humanization but only both taken together constitute its sufficient condition." 183 Schaff charakterisiert Fromm sehr treffend, wenn er schreibt: "Erich Fromm is a thinker who has consciously and manifestly drawn inspiration from Marxism. But he is not, and in view of his interests could not be, simply an interpreter of other men's ideas: on the contrary, he is an original thinker who, regardless of the sources that may stimulate him, goes his own way and breaks new grounds. In consequence, he has frequently been a center of controversy, and never more so than when attempts are made to 'classify' him into this or that school. These have inevitably run into difficulties, and the same can be said of the dispute over Erich Fromm's relationship to Marxism. For every argument used to prove he is a Marxist, another has been found to prove the contrary." (1971: 299; meine Hervorh.); 184 "Marxism, as theory, is a historically shaped system of views composed primarily of its philosophy, sociology, political economy, political theory, and specific research method. It is a system in the strict sense of the word; when the classics of marxism said that their views 'are no system' they had in mind the special meaning of this word developed by metaphysics. In other words. Marxism is a set of elements – in this case, whole theories – in which to change one is to change the others. This is why rejection of any of the basic components of Marxism is the same as rejecting Marxism as a whole. Consequently, it is not possible to be a 'partial' Marxist, acknowledging only certain of its areas or aspects; if one does not accept the system of Marxist thought, one does not accept Marxism and is not a Marxist. Here then is the first distinct boundary which may not be crossed if one wants to keep the right to be called Marxist." (Schaff, 1971: 308);

185 Im Kapitel "Erich Fromm (geb. 1900)", pp. 865-877 186 "Un monde qu'on peut expliquer même avec de mauvaises raisons est un monde familier. Mais au contraire, dans un univers soudain privé d'illusions et de lumières, l'homme se sent un étranger. Cet exil est sans recours puisqu'il est privé de souvenirs d'une patrie perdue ou de l’espoir d’une terre promise. Ce divorce entre l'homme de sa vie, l'acteur de son décor, c'est proprement le sentiment de l'absurdité." (1942: 20); 187 "Une seule chose: cette épaisseur et cette étrangeté du monde, c'est l'absurde." (ebd.: 31); 188 "Si l’homme reconnaissait que l'univers lui aussi peut aimer et souffrir, il serait reconcilié. Si la pensée découvrait dans les miroirs changeants des phénomènes, des relations éternelles qui les puissent résumer et se résumer elles-mêmes en un principe unique, on pourrait parier d'un bonheur de l'esprit dont le mythe des bienheureux ne serait qu'une ridicule contrefaçon." (ebd.: 34); 189 "Ce monde en lui-même n'est pas raisonnable. C'est tout ce qu'on en peut dire. Mais ce qui est absurde, c'est la confrontation de cet irrationnel et de ce désir éperdu de clarté dont l'appel résonne au plus profond de l'homme. L'absurde dépend autant de l'homme que du monde." (ebd. : 39).

190 "Je ne sais pas si ce monde a un sens qui le dépasse. Mais je sais que je ne connais pas ce sens et qu'il m'est impossible pour le moment de le connaître. Que signifie pour moi signification hors de ma condition? Ce que je touche, ce qui me résiste, voilà ce que je comprends. Et ces deux certitudes, mon appétit absolu d'unité et l'irréductibilité de ce monde à un principe rationnel et raisonnable, je sais encore que je ne puis les concilier." (ebd.: 75f.) 191 "C'est partir du désaccord fondamental qui sépare l'homme de son expérience pour trouver un terrain d'entente selon sa nostalgie, un univers corseté de raisons ou éclaire d'analogie qui permette de resoudre le divorce insupportable. Le philosophe, même s'il est Kant, est créateur. II a ses personnages, ses symboles et son action secrète." (ebd.: 136); 192 "La solidarité des hommes se fonde sur le mouvement de révolte et celui-ci, á son tour, ne trouve de justification que dans cette complicité. (...) De même cette solidarité, hors du sacré, ne prend vie qu'au niveau de la révolte. Le vrai drame de la pensée révolte est alors annoncé. Pour être, l'homme doit se révolter, mais sa révolte doit respecter la limite qu'elle découvre en elle-même et où les hommes, en se réjoignant, commencent d'être. La pensée revoltée ne peut donc se passer de mémoire: eile est une tension perpétuelle." (1951: 35); 193 "Le mal qui éprouvait un seul homme devient peste collective. Dans l'épreuve quotidienne qui est la nôtre, la révolte joue le même rôle que le 'cogito' dans l'ordre de la pensée: elle est la première évidence. Mais cette évidence tire l'individu de sa solitude. Elle est un lieu commun qui fonde sur tous les hommes la première valeur. Je me révolte, donc nous sommes." (1951: 36); 194 Die biografischen Quellen zu Erich Fromm sind recht spärlich. Ich stütze mich hier auf die folgenden Publikationen: Landis/Tauber (1971), Knapp (1982; oft unzuverlässig im Detail), Funk (1978 und 1983), Wiggershaus (1986).

195 "Klarer sieht man, wenn man Erich Fromms Herkunftmilieu berücksichtigt. Einzelkind, wie er selbst sagt, von zwei sehr neurotischen, überängstlichen Eltern. Eine lange Reihe von Rabbinern als Vorfahren. Der Vater schämte sich, weil er Kaufmann war ('Haben'!) und nicht auch ein Rabbi ('Sein'!). Ein sehr einsames Kind war Erich Fromm, aufgezogen in einer altjüdisch geprägten, im Grunde noch mittelalterlichen, noch nicht bürgerlichen Atmosphäre. Aus der persönlichen Isolierung heraus bereit und offen für die biblischen Propheten, Hoffnung auf den Messias und eine bessere Welt, herbeigeführt nicht durch Katastrophen, sondern eine grosse Erneuerung. Moralisch-politische Vollendung des Menschen." (Dvorak, 1980: 46); Fromm selbst sagt in zwei Interviews über seine Erfahrungen kindlicher Fremdheit und Einsamkeit: "'lo' (...) non ero forse più nevrotico di altri ragazzi. in quel tempo, ma lo ero certamente in modo diverso. Percha diverso avevo imparato a sentirmi per razza, ambiente, cultura, interessi. E fu certo un bene quel mio sentirmi diverso e quasi straniero, perché mi ha insegnato successivamente a comprendere che se non si e provato ad essere stranieri a se stessi non si possono comprendere gli altri. L’essere diversi aiuta infatti ad essere se stessi dovunque.'" (Fromm, in: Capello, 04.04.1980) ("Ich war vielleicht nicht neurotischer als andere Jungen zu jener Zeit, aber ich war es sicher auf unterschiedliche Art, denn verschieden zu fühlen hatte ich durch Rasse, Milieu, Kultur und persönliche Interessen gelernt. Und dieses mich verschieden und fast fremd Fühlen war sicher ein Vorteil, denn es hat mich nach und nach gelehrt, dass man die anderen nicht verstehen kann, wenn man nicht zuvor sich selbst als fremd empfunden hat. Das Verschiedensein trägt tatsächlich dazu bei, überall sich selbst zu sein." (meine Übers.) Und: "'Das war also der mittelalterliche gegen den modernen Standpunkt, und so war ich ein recht einsames Kind. Und ich war sehr bereit und offen für etwas, was mich aus dieser Einsamkeit erlösen konnte. Und das waren für mich doch von früh an die Propheten und speziell die Begriffe wie: Hoffnung auf die messianische Zeit, die Hoffnung, dass der Messias eine bessere Welt aufrichten würde. Und diese Hoffnung war für die traditionellen Juden eine sehr starke. Das hat nichts mit Zionismus zu tun, sondern das war ein Glaube: Die Welt wird erlöst werden, nicht durch Katastrophen, sondern in einer grossen Weltverbesserung. So finden Sie das bei den Propheten. Dieses messianische Motiv hat zwei Dinge in sich: nämlich einmal ein religiöses, die Vollendung des Menschen, die Perfektion des Menschen, die Konzentrierung des Lebens auf geistige, moralische Normen und ein Politisches, nämlich die wirkliche Änderung der Welt, eine neue Gesellschaftsverfassung, die diese religiösen Prinzipien durchsetzt. Nun also, ich sage, diese messianische Vorstellung, und die ist es eigentlich bis heute geblieben, nämlich damals wie heute eine Vorstellung, in der das Religiöse und das Politische voneinander gar nicht zu trennen sind.'" (Fromm, in: Lämmle/Lodemann, 21.03.1980; meine Hervorh. 196 So meint auch Funk (1984: 94): "Der Sozialpsychologe Fromm – und vielleicht auch die Sozialpsychologie Fromms – ist nur auf dem Hintergrund seiner Beheimatung in einer ganz spezifischen jüdischen Tradition zu verstehen. (...) Sowohl die Vorfahren Fromms wie seine religiösen Lehrer bekannten sich zu einem konservativen Judentum mit einer orthodoxen Lebenspraxis. Das Konservative dieser Lebenspraxis ergibt sich hierbei gerade nicht aus einem reaktionären oder autoritären Interesse. Es ist vielmehr gegen das liberale Reformjudentum gerichtet, das sich an die bürgerliche und kapitalistische Gesellschaft anpassen möchte und hierbei die ganzheitliche, von einem bestimmten religiösen Ethos her geprägte Lebenspraxis aufgibt. Die vom religiösen Ethos her geprägte Lebenspraxis zielt auf ein Identitätserleben, bei dem die Identität nicht durch die je neue Anpassung an den Durchschnitt und an das 'Normale', sondern durch Abgrenzung vom Mehrheitlichen, vom 'man', vom 'gesunden Menschenverstand' des Zeitgeistes hergestellt wird. Nicht die Assimilierung an das gesellschaftlich Vorgegebene garantiert Selbsterleben und Identität, sondern eine Art zu leben, in der sich durchgängig ein und dieselbe Haltung ausdrückt, nämlich das überlieferte religiöse Ethos. (...) So ist für das konservative orthodoxe Judentum, in dem Fromm heranwuchs, die Erfahrung kennzeichnend, dass das Eigene nur dadurch gesichert werden kann, dass es als religiöses Ethos ganzheitlich und in Abgrenzung von gesellschaftlich vorfindlichen anderen Ethosformen gelebt wird." (meine Hervorh.) – Als wichtigste jüdische Quellen für Fromms Denken bezeichnet Funk die Werke von Moses Maimonides, Hermann Cohen und Schneur Salman (vgl. 1978: 231ff.); 197 "'Ja nun, auf die Psychologie bin ich wohl deshalb gekommen, weil ich allmählich immer neurotischer wurde. Dass ich nicht ganz verrückt wurde bei so überängstlichen Eltern, das kann ich nur Gott verdanken oder den Eindrücken, die sich stark auf mich auswirkten.'" (Fromm, in: Lämmle/Lodemann, 21.03.1980); 198 "'J'aurais voulu aller étudier aux universités talmudiques de Lithuanie. Mais ce projet souleva une telle fureur chez mon pere que j'y ai rénoncé. Je dois dire aujourd'hui que ce fut un bien.'" (Fromm, in: Khoury, 21.10. 1979); 199 "Dieses leidenschaftliche Interesse an dem Alten Testament und darüber hinaus an allen religiösen Phänomenen ist in Fromm nie erloschen. Vor allem die prophetische Vision der Brüderlichkeit und des Friedens auf dem ganzen Erdenrund haben ihn fasziniert. Er schreibt: 'Wahrschein1ich lag der unmittelbare Grund für diese Gebanntheit durch den Gedanken des Friedens und des Internationalismus in der Situation, in der ich mich selbst befand: ein jüdischer Junge innerhalb einer christlichen Umwelt, der kleine antisemitische Episoden erlebte, aber was wichtiger war, das Gefühl für die Fremdheit und engherzige Abgeschlossenheit auf beiden Seiten empfand." (Greinacher. 1972: 28; meine Hervorh.);

200 "Als dieser Krieg im Sommer 1914 ausbrach, war ich ein Junge von vierzehn Jahren, den die Aufregungen des Krieges, die Siegesfeiern, die Tragödie des Todes einzelner Soldaten, die ich persönlich kannte, mehr als alles andere beeindruckten." (Fromm, 1962a, GA IX: 41) – Und: "Als der Krieg 1918 zu Ende ging, war ich ein tief aufgewühlter junger Mensch, der von der Frage besessen war, wie Krieg möglich war, der unbedingt die Irrationalität menschlichen Massenverhaltens verstehen wollte und der vom leidenschaftlichen Wunsch nach Frieden und internationaler Verständigung erfüllt war. Darüber hinaus hegte ich ein tiefes Misstrauen gegen alle offiziellen Ideologien und Erklärungen und war überzeugt, dass man an allem zweifeln müsse." (ebd.: 42). 201 "It seems to me that Zionism has ended for most Jews the most progressive elements of their past, and has led them back to the spirit of the conquerors of Canaan." (Erich Fromm in einem unver. Brief vom 21.05.1966 an Adam Schaff; meine Hervorh.); 202 In seinen unver. Erinnerungen an Raw Salman Baruch Rabinkow (1971) porträtiert Fromm diesen mit Worten, die wohl ebenso sehr auf ihn selbst zutreffen: "(...) seine moderne Kultur war nicht jene des mitteleuropäischen Bürgertums des 19. und 20. Jahrhunderts; vielmehr war es die Kultur des Protestes, wie wir sie bei der radikalen russischen 'Intelligentia' finden. Er verband eine grundsätzlich revolutionäre Haltung mit seiner religiösen Einstellung, und seine Interpretation des Judentums bestimmte sich von der Mischung dieser beiden Faktoren her (...) Für seine Lehre war es ganz typisch, dass er nach der radikal humanistischen Einstellung suchte und sie auch fand: bei den Propheten, im Talmud, bei Maimonides oder in einer chassidischen Erzählung." (Fromm, zit. in: Funk, 1983: 39); 203 Von der jüdischen Orthodoxie wird Fromm teilweise bis in die Gegenwart hinein vereinnahmt, wie folgende Passage aus "Das Neue Israel" zeigt: "Das Erstaunliche an diesem Buch (Ihr werdet sein wie Gott, 1966a, U. A.) ist, dass, mit ganz wenigen unwichtigen und teilweise unnötigen Bemerkungen und Formulierungen, dies das Glaubensbekenntnis eines das Judentum bejahenden Juden ist. Mit keinem Wort ist die Beschreibung des Herausgebers gerechtfertigt, der Fromm darzustellen versucht als jemand, 'der weder den Christen noch den praktizierenden Juden zugehört'. Er war Jude!" (Bamberger, Juni 1981; meine Hervorh.); 204 "Gemeinsam mit Georg Salzgeber und Franz Rosenzweig trägt er 1920 zur Gründung des Freien Jüdischen Lehrhauses bei, das schnell zum Treffpunkt der besten Köpfe der jüdischen Gemeinde Frankfurts avancierte." (Knapp, 1982: 17);

205 Zur Charakterisierung der "Frankfurter Schule" führe ich die folgenden Zitate an: "Fussend auf Marx und Freud, wurde von den Institutsmitgliedern der Versuch unternommen, ohne Rücksicht auf die herkömmliche akademische Fächertrennung die Totalität der kapitalistischen Gesellschaft in ihren psychischen und ökonomischen Zusammenhängen darzustellen und zu erklären." (Brumlik, 123/1980) – "Die Gruppe, von der die Rede ist, hat sich in der deutschen Republik um das Frankfurter 'Institut für Sozialforschung' zusammengefunden. Man kann nicht sagen, dass sie von Hause aus eine Fachschaft gebildet hätte. (...) Auf der andern Seite ist den genannten Forschern das Bestreben gemeinsam, die Arbeit ihrer jeweiligen Disziplin an dem Stande der gesellschaftlichen Entwicklung und ihrer Theorie auszurichten. Was hier in Frage steht, lässt sich schwerlich als Lehrmeinung, gewiss nicht als System darlegen. Es erscheint am ehesten als Niederschlag einer alle Überlegungen durchdringenden, unveräusserlichen Erfahrung. Sie besagt, dass die methodische Strenge, in der die Wissenschaft ihre Ehre sucht, ihren Namen nur dann verdient, wenn sie nicht nur das im abgeschiedenen Räume des Laboratoriums, sondern auch das im Freien der Geschichte bewerkstelligte Experiment in ihren Horizont einbezieht." (Benjamin, in: Mass und Wert, 5 (1938). 206 "Ob sie aus grossbürgerlichen Familien kamen oder, wie Fromm und Löwenthal, aus nicht besonders begüterten – selbst im günstigsten Fall blieb ihnen auch nach 1928 und bereits vor 1933 nicht die Erfahrung erspart, mitten in der Gesellschaft Aussenseiter zu bleiben. Die gemeinsame Grunderfahrung war: keine Anpassung reichte aus, um sich je der Zugehörigkeit zur Gesellschaft sicher sein zu können. (...) Auf ihre Art mussten Juden ein nicht weniger ausgeprägtes Gefühl der Entfremdetheit und Inauthentizität des Lebens in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft haben wie die Proletarier. Waren auch Juden gegenüber Proletariern zu einem grossen Teil privilegierter, so galt doch auch: selbst privilegierte Juden entrannen nicht ihrem Judesein. Privilegierte Arbeiter aber hörten spätestens in der zweiten Generation auf, Arbeiter zu sein. Jedoch war es für sie wiederum schwerer, zu Privilegiertheit zu gelangen. Die Erfahrung der Zähigkeit gesellschaftlicher Entfremdung, die Juden machten, schuf also eine gewisse Nähe zu der Erfahrung der Zähigkeit gesellschaftlicher Entfremdung, die Arbeiter in der Regel machten. Das brauchte nicht zur Solidarität mit den Arbeitern zu führen. Aber es führte jedenfalls häufig zu einer radikalen Kritik an der Gesellschaft, die den objektiven Interessen der Arbeiter entsprach." (Wiggershaus, 12f.; meine Hervorh.); 207 Schaff schildert (in einem unver. Manuskript, S. 13) eindrücklich die Wirkung der verweigerten Veröffentlichung auf Fromm: "Auch nach der Abreise in die Vereinigten Staaten wurde die Arbeit (...) nicht veröffentlicht. Nach Jahren erschien aber unter der Redaktion von Adorno die in der Sachliteratur bekannte Sammelarbeit unter dem Titel The Authoritarian Personality, in der die Frommsche Untersuchungsmethode benutzt war, ohne Angabe der Quelle. Der Vorwurf wiegt schwer, und ich wiederhole ihn nach Fromms Worten. Eins kann ich aber mit Sicherheit feststellen: dieser Mann, der die personifizierte Heiterkeit und Güte war, wurde geradezu von Hassgefühlen gegen jene Menschen ergriffen, die dieses von ihm aufs schwerste empfundene Unrecht verursacht hatten. Für Fromm war die Frankfurter Schule und ihre späteren Vertreter tot." 208 "In Horkheimers Biografie, deren Entstehung er übrigens mächtig forciert hat, kommt unter den Mitarbeitern des Frankfurter Instituts der Name Fromm nicht vor." (Schultz. 20.03.1983). 209 "Dabei handelte es sich um die im Institutsprospekt von 1938 als Teil des Forschungsprogramms aufgeführte psychologische Studie zu Man in Authoritarian State. Das Buch, an dem Fromm zwischen 1936 und 1940 gearbeitet hatte, stellt eine der wenigen Realisierungen des umfangreichen Publikationsprogramms des Instituts dar, erschien aber ausserhalb des Institutsrahmens und enthielt, abgesehen von einer Fussnote, in der ein Aufsatz Horkheimers erwähnt wurde – nicht einen einzigen Hinweis auf die ehemalige Zusammenarbeit mit dem Institut für Sozialforschung. Statt dessen waren dem Buch drei Mottos vorangestellt, die sämtlich Fromms humanistisches Credo geradezu zur Schau stellten." (Wiggershaus, 1986: 305);

210 So schrieb der ehemalige Direktor des William Alanson White Institutes, Earl G. Witenberg, anlässlich des 75. Geburtstags von Erich Fromm (11/1975): "Of the founders, Dr. Fromm was the only nonpsychiatrist, the only person trained in the social sciences and psychoanalysis. He brought to the fledgling Institute a rare social perceptiveness, forged in the intellectual ambience of Heidelberg. Munich, and Francfurt, which was wedded to a special clinical acumen and grounded in training at the Berlin Psychoanalytic Institute. As teacher and training and supervising analyst he was much sought after. No one was untouched by his dynamic approach to the patient. His theory of the social aspects of psychoanalytic practice left indelible imprints on all." 211 Zu den mexikanischen Studenten Fromms der ersten Stunde gehört auch Jorge Silva-Garcia, der am Internationalen Erich-Fromm-Symposiura 1988 (Locarno) folgende Schilderung von Fromm gab: "Für diejenigen von uns, die ihn lieben und für die sein Werk wichtig ist, ist Fromm hier und ist er nicht hier. Ich kann seine durchdringenden blauen Augen sehen, voller Verständnis, voller Liebe, Ausdruck seines Seins. Ich kann sie auch beunruhigt sehen und beunruhigend, wenn sie mit hartnäckiger Torheit oder Heuchelei konfrontiert wurden. Sie konnten vor Schmerz weinen, sei es wegen des eigenen Leids oder dem des anderen. Aber sie konnten auch Tränen lachen über manche lustige oder witzige Begebenheit. Seine Tränen oder sein Lachen berührte das Herz der anderen. Seine blauen Augen vermittelten immer seinen tiefen Sinn für Humor und konnten in einem spielerisch-spitzbübischen Blick aufleuchten, als sagten sie: 'Glaubst du wirklich, ich werde alles schlucken, was du mit einer solch scheinbaren Unschuld von dir gibst?' Sein Blick konnte auch sehr streng sein, und als er im ersten Jahr hier bei uns war, erschien sein Blick manchmal hochmütig, ein Hochmut, der auch in seinem Auftreten zum Ausdruck kam. Seine Selbstanalyse, seine wachsende Liebesfähigkeit, seine Lebensfreude und sein schöpferisches Leben aber führten zu einer sichtbaren Veränderung, so dass er ein freundlicher, liebenswürdiger, einfacher Mann wurde... Die hochmütige Eitelkeit seiner ersten Jahre kam nie wieder." (1988: 3); 212 "In den fünfziger Jahren trat Fromm einer linken Partei in den Vereinigten Staaten bei, kehrte sich aber bald wieder von ihr ab. da sie ihm nicht hinreichend radikal erschien: 'Wenn die Intellektuellen im Dienste eines Parteiprogramms und im Dienste politischer Ziele, mögen sie auch noch so gut sein, ihre Funktion, die volle Wahrheit zu suchen und zu sagen, reduzieren, dann versündigen sie sich an ihren eigensten Aufgaben und am Ende sogar an dem wichtigsten politischen Sinn, den sie haben; denn ich glaube allerdings, dass der politische Fortschritt davon abhängt, wie viel wir von der Wahrheit wissen, wie klar und wie kühn wir sie äussern und wie viel davon die Menschen beeindruckt.' Politiker und Intellektuelle haben komplementäre Mandate. Der König ist kein Prophet, der Prophet kein König. Ihre Dialektik, nicht ihre Übereinstimmung macht sie aus." (Schultz, 9/1976) – Zur politischen Wirkung Fromms auf die USA der McCarthy-Ära schreibt Bottomore (1981: 313): "Erich Fromm has the distinction, among others, of being one of the small number of people who helped to keep radical ideas alive in the unpropitious climate of the 1950s, and thus to prepare the way for the renewal and diffusion of such ideas in the following decade." – Als politische Erben Fromms fühlen sich auch einzelne Vertreter der deutschen "Grünen", was in meinen Augen nicht ganz unproblematisch ist: "Erich Fromm war einer unserer geistigen Wegbereiter. Indem er Soziologie und Politik, Religion, Marxismus und Psychoanalyse verband, zeigte er zugleich im lebendigen Vorbild seiner Gestalt, was allein uns aus der Krise führen kann: nur ein grundlegendes, allseitiges Verständnis des Menschen und der Naturzusammenhänge und das Tätigwerden und Beratschlagen aller Menschen in den fundamentalen Fragen unserer Zukunft. (...) Die Grünen fühlen sich Erich Fromm im Geist verpflichtet. Sie trauern um ihn und sind entschlossen, in wissenschaftlicher Arbeit und praktischem Tun die bedeutenden Anregungen Fromms nach ihren Kräften in politische Wirklichkeit umzusetzen." (Häfner, 05.04.1980; Saarbrücker Kongress der Grünen; meine Hervorh.); 213 "'Ich versuchte sehr bewusst. Schülerschaft – wenn man das so nennen darf – zu verhindern. Ich bestand nie darauf, dass jemand, den ich ausgebildet hatte, meine eigenen Meinungen teilte. Ich bestand nicht nur nicht darauf, ich war froh, wenn er authentisch etwas finden konnte, was er nicht aus Loyalität übernahm und dann weitergab. Deshalb gibt es keine Schule und eigentlich auch kaum Analytiker, die ich im üblichen Sinne als meine Schüler bezeichnen könnte, sehr wenige jedenfalls. Aber das liegt zum Teil an mir und an meiner Abneigung gegen 'Schulen'-Bildung.’" (Fromm, in: Gautschy, 1984: 306) – Zajur (23.03.1980) sagt richtig: "La idea de Fromm de que no pretendía ser jefe de ninguna 'Escuela' ni tampoco atraer discípulos, es en realidad congruente con sus teorías. La integración de un grupo de psicoanalistas debe fundamentarse esencialmente en las metas y no en la uniformidad de los pensamientos." ("Fromms Einstellung, nicht 'Anführer' einer 'Schule' zu sein, ja nicht einmal Schüler um sich zu scharen, deckt sich völlig mit seinen theoretischen Ansichten. Die Integration einer Schule von Psychoanalytikern muss wesentlich auf den gemeinsamen Zielen beruhen, und nicht auf der Einheitlichkeit der Gedankengänge.")